Unausgereifte Endlagertechnik

Internationale Konferenz in Braunschweig von Protesten begleitet

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Während Atomkraftwerke weltweit immer weiter nuklearen Müll produzieren, ist das Problem einer sicheren Lagerung weiter ungelöst.

Vor der Braunschweiger Stadthalle sind Atomkraftgegner zu einer »Dauermahnwache« aufgezogen. Eine provisorische Bühne wurde errichtet, die atomkritische Ärztevereinigung IPPNW ist mit einem aufblasbaren AKW mit Schornstein als Rakete angerückt. Ab und zu spielen Bands oder laufen atomkritische Filme.

Drinnen in der Halle reden sich Wissenschaftler und Ingenieure aus 15 Ländern die Köpfe heiß. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) haben rund 270 Experten eingeladen, die noch bis zum Freitag über Konzepte zur Endlagerung radioaktiver Abfälle diskutieren. Auf der Konferenz mit dem Titel »Repo- Safe« geht es um Vergleiche zwischen Salz, Granit und Ton als »Wirtsgesteine« für den Jahrtausende strahlenden Atommüll oder um »Transmutation« – ein technisch nicht ausgereiftes Verfahren, um die Radioaktivität vor der Einlagerung zu reduzieren.

Bislang weltweit kein Endlager
Gleichzeitig geht es um Endlager-Konzepte in anderen Ländern. Ulrich Kleemann vom BfS berichtet, dass die meisten Staaten, die Atomkraft nutzen, anders als (bislang) Deutschland oder die USA bei der Endlagerung auf Ton und Granit setzen. Weitere Staaten wie Frankreich wiederum scheinen sich mit dem Konzept einer dauerhaften Zwischenlagerung anzufreunden. Ein funktionierendes Endlager für stark strahlenden Müll gibt es bis heute noch nirgendwo auf der Welt.

Die ungeklärte Endlagerfrage macht Professor Wernt Brewitz von der GRS ganz ungeduldig. Er mahnt »Political Leadership« an. Es müsse endlich jemand sagen, wo es langgehen solle. Genau das versuchte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Auftakt der Konferenz. Er will im nächsten Jahr Sicherheits- und politische Kriterien für ein atomares Endlager in Deutschland festlegen und anschließend mehrere mögliche Standorte untersuchen lassen. Dabei müssten auch andere Standorte als der Salzstock Gorleben unter die Lupe genommen werden, verlangte Gabriel. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg würden sich jedoch bislang verweigern. Das findet Gabriel »unfair und auch ein bisschen feige«. Der Minister hofft aber, dass nach den Landtagswahlen Anfang 2008 »Vernunft einkehrt«.

Wenn er sich da nicht täuscht. Union, FDP und die Atomwirtschaft haben sich längst auf den Endlager-Standort Gorleben festgelegt. Sie fordern unermüdlich, die seit dem Jahr 2000 unterbrochenen Arbeiten im Bergwerk fortzusetzen und das Endlager so bald wie möglich in Betrieb zu nehmen. Die AKW-Betreiber verweisen gern darauf, dass sie hier bereits rund 1,3 Milliarden Euro investiert haben. Dass das Geld aus steuerfreien Rücklagen kommt, die die Energiekonzerne für die Endlagerung ansammeln dürfen, wird dabei verschwiegen. Auch die mittlerweile 80 Castor-Behälter, die in Gorleben zwischengelagert werden, machen diesen Endlager-Standort wahrscheinlich.

Für abgeschlossen hält Gabriel die Suche nach einem Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall. Im früheren Eisenbergwerk bei Schacht Konrad in Salzgitter solle die Einlagerung in etwa sechs Jahren beginnen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dafür im Frühjahr den Weg freigemacht. Allerdings laufen noch Verfassungsbeschwerden von einem Landwirt und der Stadt Salzgitter. Auch der Protest auf der Straße war dort zuletzt wieder stärker geworden.

Bergwerk Asse als »Auslaufmodell«
Als »GAU« in der Endlagerdebatte bezeichnete Gabriel das sogenannte Forschungsbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel, wo 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll lagern. In das Bergwerk laufen täglich 12 000 Liter Wasser, auch die Betreiber schließen ein Absaufen nicht mehr aus. Am Montag besetzten Aktivisten von Robin Wood sowie von Anti-Atom-Initiativen für mehrere Stunden den Förderturm auf dem Betriebsgelände und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift: »Auslaufmodell Asse«.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal