nd-aktuell.de / 08.11.2007 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 14

Manifest gegen Agro-Gentechnik

Rund 40 Verbände unterzeichnen Offenen Brief gegen die Novelle des Gentechnikgesetztes

Michaela von der Heydt
Vor der ersten Lesung des neuen Gentechnikgesetzes, die für Freitagfrüh um 3 Uhr 50 angesetzt ist, appellierte gestern ein Bündnis von 36 Verbänden und Organisationen an die Abgeordneten, gegen die Novelle zu stimmen.

Rund 80 Prozent der Bundesbürger wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel. Und nie hat es einen derartigen Schulterschluss zwischen öko- und konventionellen Landwirten gegeben wie bei der Ablehnung der Agro-Gentechnik. Auch der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der Verband von rund 800 privaten Bierbrauern, sowie jener der grünen Wirtschaft (UnternehmensGrün) und der ökologische Ärztebund, der international 30 000 Mediziner hinter sich weiß – sie alle wehren sich vehement gegen die Novelle des Gentechnikgesetzes.

In einem offenen Brief und einem Manifest appellieren 36 Verbände und Organisationen an die Abgeordneten, dem Gesetz in dieser Form nicht zuzustimmen. Sie verlangen sicherzustellen, dass gentechnikfreie Landwirtschaft, Saatgutgewinnung und Lebensmittelwirtschaft weiterhin möglich sind. Die Artenvielfalt dürfe nicht beeinträchtigt werden, und auch die Verbraucherpreise dürften durch die Gentechnik nicht steigen.

Das neue Gesetz »wäre der größte Anschlag auf die Biodiversität«, warnte gestern in Berlin Hubert Weiger, agrarpolitischer Sprecher des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Bundesumweltminister Sigmar Gabriel müsse ein Moratorium für mindestens zehn Jahren für die grüne Gentechnik fordern, sagte Weiger. Schon jetzt seien 30 Prozent aller Feldpflanzen und 40 bis 60 Prozent der Tierarten auf landwirtschaftlichen Flächen vom Aussterben bedroht. Der Einsatz von Chemie auf Agrarflächen werde durch das Gesetz drastisch zunehmen. 80 Prozent der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) seien resistent gegen Total-unkrautvernichtungsmittel, wie sie zum »Säubern« von Bürgersteigen eingesetzt werden. Alles würde abgetötet, bis auf die resistenten Pflanzen, die wir essen sollen, sagt Weiger. Die Folgen für den Boden und das Grundwasser seien nicht abschätzbar, so der Bodenkundler. Und dann werden die Bauern abhängig von dem patentierten Saatgut. Die Macht der Agrokonzerne Monsanto, BASF und Bayer sei nicht geringer als die der Energiekonzerne, betont Weiger.

Vor Gesundheitsschäden warnte Angela von Besten, Vorsitzende des Ökologischen Ärztebundes. Fütter-ungsstudien von Gentech-Mais bei Ratten hätten ein verändertes Blutbild, Leber- und Nierenschäden, schwere Allergien und Lungenentzündungen gezeigt. Wie der menschliche Darm, die Zellen und das Erbgut langfristig reagieren würden, sei unklar. Deshalb müssten das Vorsorgeprinzip – wie in der EU-Verfassung verankert – gelten und gentechnisch veränderte Lebensmittel verboten werden. Es sei schizophren, wenn das Gesetz versuche, eine Koexistenz von GVO- und Nicht-GVO zu gewährleisten. Geplante Abstände von 150 Metern zu konventionellem und 300 Metern zu Öko-Anbau seien völlig unzureichend. Bienen flögen sechs Kilometer weit, betonte Roland Demleitner, Chef des Verbands privater Brauereien Deutschlands. Die Haftung müsse zudem deutlich unterhalb des geplanten Schwellenwertes von 0,9 Prozent GVO-Verunreinigung greifen. Und ab 0,1 Prozent solle die Kennzeichnungspflicht beginnen. Dass die Verursacher auch Analysekosten tragen, die sieben Prozent der Produktionskosten ausmachen, dafür müsse die Politik sorgen, erwartet der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein.

www.keine-gentechnik.de/offener-brief[1]; www.unternehmensgruen.de[2]

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