Siegtreffer drei Sekunden vor dem Schlusspfiff

Handball: Vizemeister HSV Hamburg schlägt Meister THW Kiel 31:30 / Gelassenheit beim Verlierer

  • Erik Eggers
  • Lesedauer: 3 Min.

Handball-Weltmeister Pascal Hens misst stattliche 2,03 Meter, und trotzdem hat er in der tosenden Ostseehalle den Überblick verloren. In den dramatischen Schlusssekunden des Bundesligaspiels beim Meister THW Kiel war der Rückraumschütze des HSV Hamburg völlig ins Geschehen versunken – und begriff daher nicht, warum Mannschaftskollege Kyung-Shin Yoon nach dessen Gewaltwurf zum 31:30 (15:16) gen eigenes Tor lief anstatt zur Wechselbank. »Ich dachte, was macht der denn da?«, erzählte Hens hinterher. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er verstand, dass das Spiel ja schon vorbei war. Als Yoons Wurf einschlug, waren nur noch drei Sekunden zu spielen.

Diesen Sieg des Vizemeisters vor 10 250 Zuschauern beim amtierenden Champions-League-Gewinner, »die derzeit beste Mannschaft der Welt«, wie der fünffache Torschütze Hens befand, nannte HSV-Sportdirektor Christian Fitzeck später »historisch«. Auch HSV-Trainer Martin Schwalb war die Genugtuung anzusehen. »Das ist keine alltägliche Geschichte, hier zu gewinnen.« HSV-Klubchef Andreas Rudolph ließ sich indes keine euphorischen Statements entlocken: »Dieser Sieg ist nur dann historisch, wenn er am Ende der Saison den entscheidenden Vorsprung gibt.« Vorsprung vor Kiel – als neuer deutscher Meister.

»Das hat noch gar nichts zu bedeuten«, stellte HSV-Torwarthüne Johannes Bitter klar, der mit 20 Paraden, darunter vier Siebenmeter, den Kieler Torwart Thierry Omeyer klar übertrumpfte. Auch der beurteilte die neue Lage verhalten: »Wir haben noch sechs Monate vor uns. Wir wissen, worauf es jetzt ankommt. Wir müssen jetzt kühlen Kopf bewahren.«

In Kiel agierte das Hamburger Team mit einer physisch enorm anstrengenden 3:3-Deckung, die den Kieler Rückraumschützen weitgehend aus dem Spiel nahm. Nur THW-Superstar Karabatic kam mit seinen Gewaltwürfen durch. Seinen neun Toren standen aber auch 14 Fehlversuche gegenüber. Der HSV beherrscht aber auch andere Defensivvarianten. Und im Angriff besitzt das Team mit Kreisläufer Bertrand Gille, den Weltmeistern Hens und Jansen sowie den Shootern Yoon und Lijewski ebenfalls außergewöhnlich viele Optionen. Und nach dem Sieg in Kiel dürfte das Selbstvertrauen die maximale Stufe erreicht haben.

Aber man weiß: Schon einmal schien eine historische Wende gekommen, als nämlich die SG Flensburg-Handewitt 2004 das Double gewann. Die Erfolge des Erzrivalen nahmen die Kieler zum Anlass, ihre sportlichen wie finanziellen Anstrengungen noch einmal merklich zu erhöhen. Seitdem ist kein anderes Team deutscher Meister geworden. Entsprechend lässig kommentierte Uwe Schwenker, Manager des Rekordmeisters, die Situation: »Es ist noch nichts verloren, außer das Spiel heute.«

Magdeburg 30:34 in Großwallstadt
Am Tag eins nach dem Rauswurf von Trainer Bogdan Wenta musste sich der SC Magdeburg beim TV Großwallstadt mit 30:34 (13:18) geschlagen geben und rutschte nach der zweiten Niederlage in Serie auf den Platz 11 ab.


1. Männer-Bundesliga:
Kiel - Hamburg 30:31 (16:15), Großwallstadt - Magdeburg 34:30 (18:13), Lemgo - Balingen, Flensburg-Handewitt - Wetzlar nach Red.-Schluss.

1. Kiel 12 407:323 20:4

2. Hamburg 11 351:293 19:3

3. Nordhorn 12 379:333 19:5

4. Flensburg 11 362:312 17:5

5. Melsungen 11 356:369 14:8

6. Rhein-Neckar 11 347:312 13:9

7. Göppingen 11 303:290 13:9

8. Gummersbach 12 350:344 13:11

9. Lemgo 10 282:274 12:8

10. Großwallstadt 11 312:338 11:11

11. Magdeburg 11 325:317 10:12

12. Wetzlar 10 256:268 8:12

13. Wilhelmshaven 11 272:308 8:14

14. Balingen 10 263:298 5:15

15. Füchse Berlin 11 270:303 5:17

16. N-Lübbecke 11 271:336 5:17

17. Minden 11 260:303 3:19

18. Essen 11 294:339 3:19

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