Die Nähe von Kunst und Verbrechen

»Crime Museum« in der Galerie Eva Bracke erzählt von merkwürdigen Zusammenhängen

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 2 Min.

Künstler und Verbrecher weisen manche Affinität auf. Der eine oder andere handwerklich begabte Pinselschwinger hat sich aufs Kopieren großer Meister – inklusive Sig-natur – verlegt. Ein anderer, eher konzeptuell ausgerichtet, demonstriert mit der Beschädigung von Museumsschätzen, dass die Avantgarde erst durch rücksichtsloses Einverleiben des kulturellen Erbes zur Avantgarde werde. Ein nächster Künstler nutzt verbotene Praktiken, um die Gesellschaft zum Nachdenken über Tabus anzuregen.

Manch Verbrecher ist in seinem Bemühen, aus geschlossenen Räumen hinaus oder in solche hineinzudringen, so virtuos, dass man ihn einen Aus- bzw. Einbruchskünstler nennt. Am nächsten kommen sich Kunst und Verbrechen in der Figur des Kunstdiebs. Nach einem solchen wird innerhalb der Ausstellung »Crime Museum« in der Galerie Eva Bracke gefahndet. Es wird gemunkelt, dass er engagiert worden war, um elegant eine Sammlung von einem hässlichen Objekt zu befreien.

Eine ganze Palette weiterer eher absonderlicher Kunstverbrechen wird im »Crime Museum« – dem ersten seiner Art – vorgestellt. Ein Schokokuss etwa ist in einer mit einem Loch versehenen Glasvitrine ausgestellt (Foto). Er erinnert an das Naschwerk gleicher Rezeptur, das Kunsträuber anstelle einer gerade entwendeten Skulptur in einem Berliner Museum in einer Vitrine hinterlassen hatten. Diese Art der Unterschrift unter einen Diebstahl gefiel der Stadtguerilla-Bewegung »2. Juni« so gut, dass sie bei ihren Banküberfällen auch solche Schokoküsse in den leer geräumten Tresoren hinterließ.

Als eine Münchner Sponti-Gruppe nach einem Banküberfall des »2. Juni« mit einer Packung Schokoküsse in eine Bank der bayerischen Hauptstadt lief und die

Bankangestellten mit dieser kleinen Vesper überraschen wollte, wurde sie glattweg daran gehindert und musste sich mit einem Verfahren wegen »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« herumschlagen. Kleine Leckerei, große Wirkung.

Geschichten wie diese hat der Interventionskünstler Hans Winkler ausgegraben und in einem Exponat verdichtet. Die Objekte selbst sind banal bis rätselhaft, die Ereignisse dahinter oft irrwitzig.

Ein illegaler Einwanderer in den USA etwa erwarb einen perfekt gefälschten Pass. Er wäre damit nie erwischt worden, wenn die Fälscher nicht das falsche Geschlecht angekreuzt hätten. Ein eingeweckter Fliegenpilz erinnert an einen Künstler, der mit einer kleinen halluzinogenen Beigabe das Bewusstsein seiner Käufer erweiterte und so deren Geldbörse öffnete. Die Geschichten sind kurz auf einem Blatt erläutert.

Am besten lässt man sie sich jedoch von Winkler selbst erzählen, der ab und an in der Galerie ist.

Bis 1.12., Di.-Fr. 12-18, Sa. 14 Uhr, Galerie Eva Bracke, Torstraße 170, Mitte

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