Vor dem Start der Finalserie gegen die SVG Lüneburg hatten sich einige Fragen angesammelt bei den Berlin Volleys. Wie kommt der Rekordmeister aus der zweiwöchigen Pause nach dem schnellen Weiterkommen im Halbfinale? Wie gut sind die Volleys wirklich in Form, nachdem es im Viertelfinale der Playoffs noch einen kleinen Wackler gegen Königs Wusterhausen gab und Giesen im Halbfinale keine allzu große Hürde war? Und die wichtigste Frage: Wie sehr haben die Berliner noch die letzten drei Spiele gegen Lüneburg[1] im Kopf?
Nach dem ersten Spiel der Best-of-five-Serie gegen die Niedersachsen scheinen die Volleys auf all diese Fragen positive Antworten gefunden zu haben. Mit einem souveränen 3:0-Erfolg setzten die Hauptstädter am Sonntag vor 6552 Fans in der Max-Schmeling-Halle das erste Ausrufezeichen im Kampf um die deutsche Meisterschaft. In keinem der drei Sätze wurde es richtig eng. Mit 25:17, 25:21 und 25:19 kochten die Berliner den Herausforderer ab. »Insgesamt ist heute schon einiges ganz gut gelaufen. Das heißt, wir versuchen das jetzt so beizubehalten«, analysierte Moritz Reichert nach dem Spiel nüchtern.
Der MVP des Spiels hatte zuvor mit 14 Punkten und einem konstant starken Aufschlag maßgeblich zum Sieg der Volleys beigetragen, sah danach aber trotzdem noch Verbesserungsmöglichkeiten bei seinem Team: »Ich glaube, es gab ein paar Bälle in der Annahme, die man noch etwas besser hätte machen können.« Die Berliner wollen wachsam bleiben, weil sie die Comeback-Qualitäten des jungen Lüneburger Teams in dieser Saison gleich mehrfach zu spüren bekommen haben.
Nachdem die ersten drei Duelle[2] in dieser Saison klar an die Berliner gegangen waren, wendete sich im Februar das Blatt. In beiden deutsch-deutschen Duellen in der Champions-League-Zwischenrunde siegten die Niedersachsen – und Anfang März dann auch noch im Rückspiel in der Bundesliga. Alle drei Partien gingen über die volle Distanz von fünf Sätzen, im Rückspiel der Champions League[3] musste sogar der alles entscheidende Golden Set her. »Ich glaube, wir konnten in diesen Spielen unser Niveau nicht abrufen. Da war so eine Phase, da war ein kleiner Hänger drin«, sagte Nationalspieler Reichert und räumte ein, dass die Niederlagenserie vor dem Finale schon eine Rolle gespielt hatte: »Klar hat man das im Hinterkopf, dass wir zeigen wollen, dass wir besser sein können. Aber es ist auch schon länger her, und im Sport ist es immer ganz hilfreich, wenn man solche Sachen auch relativ schnell vergisst.«
Am Sonntag zeigten die Berliner das gewünscht schlechte Gedächtnis. Den ersten Satz dominierten die Volleys vom Start weg. Als Lüneburg im zweiten Satz nach einer frühen 7:2-Führung für die Volleys den 9:9-Ausgleich schaffte, blieben die Berliner ruhig und setzten sich schnell wieder ab. Und auch im dritten Satz konterten die Volleys eine frühe Aufschlagserie der Gäste umgehend. Während solche Schwächephasen des Rekordmeisters[4] in den vergangenen Duellen gegen den Zweiten der Hauptrunde noch zu ganzen Satzverlusten führten, erholten sich die Volleys am Sonntag deutlich schneller.
Für Cheftrainer Joel Banks war das keine Überraschung: »Es gab viele Leute, die vor dem Finale über die letzten Spiele gegen Lüneburg gesprochen haben. Wir haben dieses Kapitel geschlossen«, erklärte der Brite, dessen Vertrag im vergangenen Monat um drei Jahre bis 2028 verlängert wurde, und fügte hinzu: »Wir haben uns diese Spiele angeschaut, wir haben die Niederlagen eingesteckt, wir haben daraus gelernt. Aber wir sind jetzt in einer anderen Phase der Saison.« In dieser Phase wollen die Hauptstädter ihre Gegner möglichst gar nicht erst in die Nähe eines Erfolges kommen lassen. Auch deswegen war Banks nach dem Auftaktsieg noch lange nicht zufrieden: »Wir haben nicht schlecht gespielt, wir haben gut gespielt. Aber es gab in jedem Satz Möglichkeiten, noch kaltblütiger zu sein.«
In Spiel eins taten die Lüneburger den Volleys wiederholt den Gefallen, in den vorentscheidenden Momenten leichte Annahme- und Aufschlagfehler einzustreuen, sodass kein größerer Killerinstinkt gefordert war. Schon am kommenden Donnerstag, wenn Berlin zum zweiten Spiel der Finalserie in Lüneburg gastiert, sollte sich das ändern. »Wir sind auf einen harten Kampf vorbereitet. Lüneburg wird bestimmt auf einem höheren Niveau spielen«, warnte Coach Banks. Er erwarte auswärts einen »Hexenkessel«, in dem sein Team noch konzentrierter agieren müsse.
Dass die Niedersachsen Niederlagen gut wegstecken können, haben sie in dieser Saison auch schon gegen die Volleys bewiesen. Die Unbekümmertheit der Lüneburger, die mit einem Durchschnittsalter von 23,3 Jahren deutlich jünger sind als der Rekordmeister (27,9 Jahre), wirkte zuletzt in den ganz engen Momenten wertvoller als die Erfahrung der Berliner. Auch deswegen dürften die Volleys sehr daran interessiert sein, möglichst gar keine allzu große Spannung in diesem Finale aufkommen zu lassen. Damit die unangenehmen Erinnerungen[5] an den Durchhänger vor zwei Monaten nicht doch noch einmal zurückkehren. Ein Auswärtssieg am Donnerstag wäre dafür genau das richtige.