nd-aktuell.de / 30.04.2025 / Wissen / Seite 1

Sulfurylfluorid: Ein klimaschädliches Pestizid

Sulfurylfluorid soll Holz vor Insekten schützen, ist aber ein starkes Treibhausgas

Susanne Aigner
In Häfen lagernde Holzstämme werden häufig mit Sulfurylfluorid behandelt.
In Häfen lagernde Holzstämme werden häufig mit Sulfurylfluorid behandelt.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), das Umweltinstitut München und Protect the Planet klagen derzeit gegen die Anwendung des Pestizids ProFume. Das Mittel enthält die extrem klimaschädliche und giftige Verbindung Sulfurylfluorid (SO2F2). Ziel der Klage ist es, die Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, das Gas nach der Nutzung unschädlich zu machen.

Sulfurylfluorid greift in den Glucose- und Fettsäurestoffwechsel der Insekten ein und entzieht ihnen die zum Überleben erforderliche Zellenenergie. Zudem ist es sehr giftig für Wasserorganismen. Atmen Menschen das Gift[1] ein, kann es die Organe und das Zentralnervensystem schädigen. Ungeklärt ist, ob es auch ins menschliche Hormonsystem eingreift und ob es sich negativ auf die Entwicklung von Föten auswirkt. Aus diesem Grund wandten die EU-Behörden das Vorsorgeprinzip an und zogen im September 2024 die Genehmigung für die Anwendung als Biozidwirkstoff zurück.

Zwar dürfen Holzschutzmittel und Insektensprays kein Sulfurylfluorid mehr enthalten, Holzstämme und Lebensmittel hingegen dürfen weiter damit begast werden. Vom Hamburger Hafen aus werden zum Beispiel Hunderttausende Tonnen Holz jährlich nach China verschifft. Um die Stämme von Schädlingen freizuhalten, werden sie mit ProFume behandelt, das alle Insekten auf den Holzstämmen abtötet. Das Gas entweicht dabei ungefiltert in die Umwelt.

Sulfuryldifluorid ist 4600-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Dem Hamburger Senat zufolge wurden 2019 im Hamburger Hafen mehr als 200 Tonnen davon eingesetzt. Das entspricht dem jährlichen CO2-Fußabdruck[2] von mehr als 115 000 Deutschen. Demzufolge war die jährlich verbrauchte Menge in den letzten Jahren auf 100 bis 230 Tonnen gestiegen. Allein im Hamburger Hafen summierten sich die Emissionen von 2019 bis 2022 auf rund drei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das ist mehr, als die jährlichen Treibhausgasemissionen des innerdeutschen Flugverkehrs erzeugen. Hinzu kommen die Emissionen aus anderen Begasungsstandorten in Europa.

Dabei gäbe es verschiedene Behandlungsalternativen, die aber zu teuer, zu aufwendig oder aber hierzulande noch nicht zugelassen sind. Die Behandlung mit Ethandinitril, auch Dicyan (CN)2 genannt, wird derzeit wegen der kurzen Dauer und vergleichsweise geringer klimaschädigender Wirkung als effektivste Methode angesehen. Derzeit ist dieses Verfahren noch nicht in Europa zugelassen. Ein anderer Wirkstoff, Phosphorwasserstoff (PH3), auch unter der Bezeichnung Monophosphan bekannt, wirkt zwar gegen Holzschädlinge, das explosive Gas ist jedoch zu gefährlich und für die Holzbehandlung verboten. In Serbien und Tschechien allerdings ist es zur Begasung von Rundholz zugelassen.

Hitzebehandlung wiederum wirkt zwar effektiv bei Schnittholz, ist aber aufwendig in der Anwendung bei Stammholz. Zudem verbraucht die Methode im isolierten Stahlcontainer enorm viel Energie. Weniger Energie verbraucht im Vergleich das ebenfalls effektive Heißwasserdampf-Unterdruck-Verfahren. Es wird bisher nur in den USA für sehr hochwertiges Rundholz eingesetzt. Eine weitere Alternative, die Unterwasserbehandlung, erfordert hohen logistischen Aufwand. Sie wird – auch wegen der vorgeschriebenen Behandlungsdauer von 90 Tagen – kaum praktiziert.

Aktuell forscht das Julius-Kühn-Institut im Projekt Klimaneutrale Begasungsverfahren und alternative Behandlungsmethoden für Rundholz im Export (KLIMAtiv) an möglichen Alternativen zu Sulfurylfluorid. Zum einen untersuchen die Wissenschaftler, wie das Gas so effizient wie möglich angewendet werden kann. Zum anderen evaluieren sie alternative Behandlungsverfahren mittels Wirksamkeitsstudien in Labor und Praxis.

Solange Sulfurylfluorid erlaubt bleibe, gebe es keinen Anreiz für Unternehmen, auf nachhaltige Methoden umzusteigen, glaubt Dorothea Sick-Thies von der Umweltorganisation Protect the Planet. Würden die Klimakosten mit eingepreist, würde sich die gängige Methode wirtschaftlich nicht mehr rentieren. Selbst wenn der ProFume-Hersteller Douglas Chemicals Verunreinigungen und gesundheitliche Gefahren durch den Einsatz von Sulfurylfluorid in den Griff bekäme, die Klimaschäden bleiben, warnt auch das Münchner Umweltinstitut.

Sulfuryldifluorid ist 4600-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.

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Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176514.umweltverschmutzung-weltchemikalienkonferenz-neue-regeln-fuer-giftige-stoffe.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189062.klimapolitik-und-reichtum-der-klimabeitrag-der-reichen.html