Die Pride-Saison 2025 hat kaum begonnen, da überschatten bereits zwei Skandale die wichtigsten Demonstrationen für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Dem Christopher Street Day (CSD) in Berlin fehlen wichtige Sponsorengelder[1], da sich viele Unternehmen aus ihrem Engagement für Vielfalt und Gleichberechtigung zurückziehen. In Schönebeck bei Magdeburg beendeten die Behörden den ersten deutschen CSD des Jahres vorzeitig[2].
Die Begründungen für diesen Abbruch unterscheiden sich, je nachdem wen man danach fragt. Die Organisator*innen berichten, das Ordnungsamt habe die Versammlung als nicht politisch genug eingestuft. Die Stadt hingegen behauptet, die CSD-Veranstalter hätten nicht genügend Sicherheitspersonal bereitgestellt. Was bleibt ist der Eindruck, die Stadt habe nicht ihren Teil für einen reibungslosen Ablauf beigetragen.
Bei den Nachrichten aus der Hauptstadt und Sachsen-Anhalt geht es um mehr als Finanzen und Bürokratie. Die Vorfälle verdeutlichen, dass der Schutz queerer Lebensweisen vielerorts nurmehr als »nice to have« betrachtet wird, auf den notfalls verzichtet werden kann – und nicht als demokratische Pflicht.
Wer diese Haltung intellektuell verbrämen will, nennt LGBTIQ+-Themen bloße »Partikularinteressen der queeren Ränder«[3]. Hinter diesem abwertenden Zitat steckt nicht viel mehr als das Motto: Was kümmern mich schon Freiheit und Rechte einer Minderheit, die nicht meinem Weltbild entspricht? Doch eine weitere Sache ist daran interessant: Es stammt von Dorothee Bär (CSU) – ihres Zeichens designierte Bundesforschungsministerin. Sie ist nicht die einzige Personalie auf Merz’ Kabinettsliste, die der Lesben- und Schwulenverband LSVD kritisiert[4]. Auch die geplante Ernennung von Katharina Reiche, Karin Prien, Mareike Wulf und Michael Brand zu Minister*innen oder Staatsekretär*innen wecken beim LSVD Sorgen: Queerpolitische Fortschritte der vergangenen Jahre stehen auf dem Spiel.
All diese Entwicklungen sind ein Treiber für junge, gewalttätige Rechte. Diese politisieren sich im rückwärtsgewandten Protest gegen CSDs[5] – und treten heute offener auf als früher, eben weil sie glauben, ausreichend Rückhalt in der Gesellschaft zu haben. Aus diesem Umfeld entstanden viele der Neonazi-Gruppen, deren Umsturzpläne inzwischen fast im Wochentakt aufgedeckt werden, wie zuletzt von einem Reporter*innenteam von »Stern« und RTL.
Nach den zahlreichen Übergriffen auf Pride-Paraden im vergangenen Jahr gründete sich die bundesweite Initiative »CSD verteidigen«[6], um gezielt auf rechte Angriffe[7] reagieren zu können. Schon der Beginn der diesjährigen Pride-Saison macht deutlich: Es sind nicht nur schwarz gekleidete Jugendliche, die am Rande von CSDs Hitlergrüße zeigen[8], vor denen das Recht auf geschlechtliche und sexuelle Vielfalt verteidigt werden muss.