Das Anliegen klingt eigentlich begrüßenswert: »Mehr Zeit den Franzosen«. Mit einem Gesetz, das gegenwärtig der Nationalversammlung vorliegt, sollen die Bürokratie und die wachsende Flut von Vorschriften eingedämmt werden. Misstrauisch macht jedoch, dass der Entwurf vom größten Unternehmerverband Medef lanciert und von der rechtsbürgerlichen Partei der Republikaner eingebracht wurde, wobei die Regierung wohlwollend Hilfe leistet.
Erklärtes Ziel des Vorhabens ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen zu verbessern. »Auch bei uns müssen die Rahmenbedingungen vereinfacht werden, die es im Ausland zum Vorteil der dortigen Unternehmen meist längst sind«, meint der Medef-Vorsitzende Patrick Martin. [1]Die Notwendigkeit der »Entbürokratisierung« und der »administrativen Vereinfachung« akzeptieren auch die Gewerkschaften, doch sie warnen, dass unter diesem Motto demokratische und soziale Errungenschaften ausgehebelt werden sollen.
Im Vorfeld hatte die Regierung die Sozialpartner aufgefordert, über den Gesetzentwurf zu verhandeln, damit er den Interessen beider Seiten gerecht wird. Dabei wehrten die Gewerkschaften eine ganze Reihe von Vorhaben der Unternehmer ab. Dazu gehörte die Vereinfachung der Lohnzettel, um Verschlechterungen bei der Entlohnung leichter zu kaschieren, oder die Beschränkung des Rechts von entlassenen oder mit Strafen belegten Beschäftigten, die Instanz der neutralen Schiedsmänner und -frauen anzurufen. Ferner sollten die betrieblichen Kommissionen für Gesundheitsschutz und Arbeitsbedingungen mit ihren Kontrollkompetenzen und ihrem Vetorecht ganz einfach abgeschafft werden.
All das ist vom Tisch. »Bei der Diskussion und Abstimmung im Senat konnten eine ganze Reihe sozialer Verschlechterungen verhindert werden, und wir hoffen, dass sie jetzt in der Nationalversammlung nicht erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden«, meint Thomas Vacheron von der Gewerkschaft CGT. Gegenwärtig gelte es aber noch, den Versuch abzuwehren, das gesetzlich verbriefte Recht der Belegschaften auszuhöhlen, ihr in Konkurs gegangenes Unternehmen zu übernehmen und als Kooperative weiterzuführen. Das wollen die Unternehmer ebenso kippen wie die Vorschrift, dass sich bei der Entlohnung auch Betriebe weniger als 50 Beschäftigten an Branchenabkommen halten müssen, die zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt wurden.
Im Fadenkreuz der Unternehmer und der rechten Parteien stehen auch Regelungen für den Umwelt- und Artenschutz. [2]So soll mit dem Totschlagargument der Schaffung von Arbeitsplätzen die Gründung von neuen Unternehmen dadurch erleichtert werden, dass für sie das Verbot der »Betonisierung« von Wiesen und Äckern aufgehoben wird. Ein Gesetz schreibt vor, dass neue Unternehmen nur noch auf brachliegenden ehemaligen Gewerbeflächen entstehen dürfen, wo aber der Boden zuvor kontrolliert und bei Bedarf saniert werden muss.
In den vorbereitenden Sitzungen der Parlaments-Kommissionen hat eine Interessengemeinschaft, die vom extrem rechten Rassemblement National bis zu den zentristischen Parteien des Regierungslagers reicht, dafür plädiert, im Interesse einer Vereinfachung und gleichzeitig der Einsparung von Mitteln 32 staatliche Agenturen oder konsultative Gremien abzuschaffen. Diese reichen von Observatorien und Studieneinrichtungen für kommunale Entwicklung über das Gremium für die Zukunft des Sozialversicherungssystems bis zu den regionalen Räten für Wirtschaft, soziales Leben und Ökologie.
»Das Ziel ist klar: Sie wollen keine Instanzen mit Vertretern des zivilen Lebens oder der Gewerkschaften mehr, wie sie demokratisch in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind«, schätzt Fabienne Rouchy von der Gewerkschaft CGT ein. »Für sie haben die Interessen der Wirtschaft höchste Priorität.«
Doch während der Unternehmerverband Medef und die ihm zuarbeitenden Abgeordneten lautstark gegen den vielschichtigen »Blätterteig« der konsultativen Gremien wettern, fordern sie gleichzeitig eine neue Organisation, die ganz zu ihren Diensten sein soll: Ein dem Premierminister unterstehender »Rat für die Vereinfachung« soll jeden Gesetzentwurf und jedes Regierungsdekret vor Inkrafttreten darauf prüfen, ob sie den Interessen der Wirtschaft entsprechen.