nd-aktuell.de / 02.05.2025 / Politik / Seite 1

AfD: Geheimdiensturteil stärkt Befürworter eines Verbots

Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die gesamte Partei als »gesichert rechtsextrem« ein

Jana Frielinghaus
Nach Einschätzung vieler zivilgesellschaftlicher Akteure kann die Einstufung der AfD nun als Grundlage für die Einleitung eines Verbotsverfahrens dienen.
Nach Einschätzung vieler zivilgesellschaftlicher Akteure kann die Einstufung der AfD nun als Grundlage für die Einleitung eines Verbotsverfahrens dienen.

Man kann davon ausgehen, dass das mehr als 1000 Seiten starke Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) über die AfD[1] bereits Ende vergangenen Jahres fertig war. Allerdings wurde die darauf basierende Einschätzung der Gesamtpartei mit der Begründung verschoben[2], man wolle den Vorwurf der Einflussnahme auf den bereits laufenden Bundestagswahlkampf vermeiden.

Am Freitag nun gab die Bundeszentrale des Inlandsgeheimdienstes ihr Urteil über die völkisch-nationalistische Partei bekannt. Das Gutachten selbst ist nur ans Bundesinnenministerium gegangen und »nur für den internen Dienstgebrauch« bestimmt. Es besagt im Kern, was für Beobachter, Zivilgesellschaft und große Teile der politischen Konkurrenz längst klar ist: Die AfD als Ganzes ist »gesichert rechtsextrem«.

Dem entsprechenden Statement des BfV ging eine mehrjährige Prüfung voraus. Der Nachrichtendienst teilte mit, der Verdacht, dass die Partei Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolge, habe sich bestätigt und »in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet«.

Politikerinnen und Politiker nahmen das Verdikt zum Anlass, ihre Forderungen nach einem AfD-Verbotsverfahren[3] zu erneuern. Widerspruch kam aus CDU und CSU, aber auch vom noch amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der vor einem »Schnellschuss« warnte.

»Der Rechtsruck wurde über Jahre durch soziale Kürzungen und eine Politik, die sich an den Interessen der Reichen und Mächtigen orientiert, politisch genährt.«

Jan van Aken Ko-Vorsitzender der Linken

Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, das BfV habe seine Entscheidung zur neuen Einstufung der AfD eigenständig getroffen. »Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben«, versicherte Faeser. Vorwürfe in dieser Richtung kamen von rechtslastigen Medien und von der AfD-Spitze.

Die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel schrieben in einer Mitteilung, die AfD als Oppositionspartei werde nun »kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert«. Das sei erkennbar politisch motiviert. Die Partei werde sich weiter juristisch wehren. Zuständig ist dann in erster Instanz das Verwaltungsgericht in Köln, wo das BfV seinen Sitz hat.

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, erklärte zur BfV-Einstufung: »Ab heute darf es keinen Zweifel mehr daran geben, dass die AfD die größte Gefahr für unsere Demokratie und unser Land ist.« Allen müsse klar sein: »Eine Demokratie überlebt eine Machtbeteiligung von Rechtsextremen wie der AfD nicht.« Denn diese bekämpfe und zerstöre »unsere Demokratie von innen«. Deshalb müsse ein Verbotsverfahren »endlich auf den Weg gebracht werden«, so Reichinnek.

Der Linke-Ko-Vorsitzende Jan van Aken bekannte, er sei »früher immer gegen ein Verbotsverfahren« gewesen, weil man damit nicht »die Ideologie aus den Köpfen herausbekommt«. Die AfD müsse auch durch eine bessere Sozialpolitik bekämpft werden. Der Rechtsruck sei »über Jahre hinweg durch soziale Kürzungen und eine Politik, die sich an den Interessen der Reichen und Mächtigen orientiert, politisch genährt« worden, betonte van Aken.

Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz und Irene Mihalic erklärten, die Neubewertung durch das BfV sei »ein wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens bestellt ist«. Ein Verbot dürfen Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat beantragen. Entschieden wird darüber vom Bundesverfassungsgericht.

Explizit gegen ein AfD-Verbotsverfahen sprach sich die sächsische Landesvorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht, Sabine Zimmermann, aus. Der AfD müsse der mit einer veränderten Politik der Nährboden entzogen werden, erklärte sie. »Die Stärke der AfD hat ihre Ursache in der schlechten Politik der letzten 15 Jahre«.

Der Verfassungsschutz teilte zur Begründung seiner Neubewertung mit: »Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar.« Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. »Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes«, heißt es in der Mitteilung des BfV.

Äußerungen und Positionen der Partei und führender AfD-Vertreter verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde, erklärten die Vizepräsidenten der Behörde, Sinan Selen und Silke Willems. Dies sei maßgeblich für die nun getroffene Einschätzung. Faeser sagte, die vorherige Bewertung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall sei von Gerichten bestätigt worden. Auch die neue Bewertung werde sicher von unabhängigen Gerichten überprüft werden.

Selen und Willems führen die Behörde seit Ende 2024, weil der frühere BfV-Präsident Thomas Haldenwang zurücktrat, nachdem er seine Kandidatur für den Bundestag bekanntgegeben hatte. Er bewarb sich um ein Direktmandat in Wuppertal, verfehlte aber den Einzug ins Parlament. Den Wahlkreis gewann Helge Lindh von der SPD.

Lindholz: AfD-Abgeordnete sollten austreten

CSU-Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz erklärte nach der Veröffentlichung der BfV-Einschätzung, eine Wahl von Vertretern der AfD »in repräsentative Funktionen wie das Bundestagspräsidium oder Ausschussvorsitze« sei nun »kaum mehr denkbar«. »Jeder AfD-Abgeordnete muss sich vielmehr nun entscheiden, ob er zu unserer Grundordnung steht und aus der Partei austritt oder ob er prominenter Teil einer extremistischen Bestrebung sein will«, sagte Lindholz der Deutschen Presse-Agentur.

Der designierte Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, mit der AfD im Parlamentsbetrieb so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien auch. Der designierte neue Bundesinnenminister, Alexander Dobrindt (CSU), sagte, Faeser habe ihn informiert. Er gehe davon aus, dass es zu einer gerichtlichen Überprüfung der Einstufung komme. »Unabhängig davon führt das Gutachten zwingend dazu, dass eine weitere Beobachtung der AfD stattfinden wird.«

Faeser: Kein Automatismus für Verbotsverfahren

Faeser äußerte sich zurückhaltend zu einem Verbotsverfahren. Aus guten Gründen gebe es sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden dafür. »Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus«, sagte sie der dpa in Wiesbaden.

Die Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten die jeweiligen AfD-Landesverbände bereits zuvor als »gesichert rechtsextremistische Bestrebung« eingestuft.

Nachdem Medien im Februar 2021 über eine mögliche Einstufung der Gesamtpartei als sogenannter Verdachtsfall berichtet hatten, musste der Verfassungsschutz auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts noch rund ein Jahr warten, bis er seine Einschätzung publik machen und die Partei entsprechend beobachten konnte. Im Mai 2024 entschied das Oberverwaltungsgericht Münster dann, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Der Rechtsstreit geht noch weiter.

Schon bei einer Beobachtung als Verdachtsfall ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erlaubt, so der Einsatz sogenannter V-Leute sowie auch Observationen oder Bild- und Tonaufnahmen. Bei einem als gesichert extremistisch eingestuften Beobachtungsobjekt sinkt die Schwelle für den Einsatz solcher Mittel nochmals. mit Agenturen

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190148.afd-ruegen-blau-wie-das-meer.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186880.extreme-rechte-afd-n-einstufung-durch-den-verfassungsschutz-vor-der-wahl.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188525.verbotsantrag-bundestag-warrs-das-mit-dem-afd-verbot.html