Das humanitäre Schiff »Conscience« der Freedom Flotilla Coalition (FFC) wird von Malta weiterhin in internationalen Gewässern blockiert, nachdem es am frühen Freitagmorgen mutmaßlich von zwei Drohnen getroffen wurde. Vier Personen an Bord erlitten leichte Verletzungen, darunter Verbrennungen und Schnittwunden. Das Schiff erlitt Beschädigungen am Bug, die ein Feuer verursachten sowie Löcher auf dem Deck und einen Riss im Rumpf hinterließen. Besonders betroffen – und nach Vermutung der FFC Ziel – war der Stromgenerator des Bootes.
Für den Angriff auf die »Conscience« etwa 17 Kilometer vor der Küste Maltas macht die FFC Israel verantwortlich. Nach ihren Angaben hat das Schiff Hilfsgüter und medizinische Ausrüstung für den von Israel fast völlig zerstörten und belagerten Gazastreifen geladen, der von Malta über 1600 Kilometer entfernt liegt.
Nach dem Löschen der Feuer und der Versorgung der Verletzten hatte der Kapitän versucht, das Schiff in maltesische Hoheitsgewässer zu steuern. Trotz dringender SOS-Notrufe verweigern die maltesischen Behörden dem Schiff aber die Einfahrt in ihre Gewässer und die Genehmigung, in einen Hafen einzulaufen. Zeitweise soll die »Conscience« sogar von der maltesischen Küstenwache blockiert worden sein, als sie sich in Bewegung setzen wollte.
Die maltesische Regierung bestätigte zwar ein Feuer auf dem Schiff kurz nach Mitternacht, erwähnte jedoch keinen Drohnenangriff. Laut den Angaben sei ein Schleppboot entsandt worden, das das Feuer gegen 2 Uhr morgens unter Kontrolle gebracht habe. Die Gefahr des Sinkens, wie es noch am Freitag verlautbart wurde, droht wohl nicht mehr: Für Sonntagnachmittag hatte die FFC zu einer Pressekonferenz auf der »Conscience« eingeladen. Ob das gelingt, ist aber zweifelhaft: Auch Aktivist*innen, die mit einem Boot zur »Conscience« fahren wollten, um Hilfe zu leisten, sollen von maltesischen Küstenwachen daran gehindert worden sein.
Die Besatzungsmitglieder hätten sich geweigert, an Bord des Schleppers zu gehen, heißt es in der Erklärung maltesischer Behörden. Die FFC sagte dazu, dass sie das mit humanitärer Hilfe beladene Schiff nicht verlassen möchte, da es ihre »Verantwortung ist, sicherzustellen, dass es schwimmfähig bleibt«. Der » Conscience« wurde bereits am Donnerstag, einen Tag vor dem Angriff, von Palau die Flagge entzogen. Der Grund dafür ist unklar.
Über die Anzahl der Personen an Bord gibt es unterschiedliche Angaben: Während die maltesische Regierung von zwölf Besatzungsmitgliedern und vier zivilen Passagieren spricht, nannte die FFC gegenüber CNN eine höhere Zahl von 30 Personen.
Der Angriff erfolgte in dem Moment, als das Schiff in Malta eine Gruppe von Aktivist*innen an Bord nehmen wollte, darunter die Klimaaktivistin Greta Thunberg und Mary Ann Wright, pensionierte Oberst der US-Armee. »Freiwillige aus über 21 Ländern reisten nach Malta, um an der Mission nach Gaza teilzunehmen«, schrieb dazu die FFC.
Die Freedom Flotilla Coalition beschreibt sich als internationales Netzwerk von pro-palästinensischen Aktivist*innen, die sich für die Beendigung der israelischen Blockade des Gazastreifens einsetzen. »Zwei Millionen dort festsitzende Menschen werden systematisch ausgehungert, und man kann nicht schweigen und einfach zusehen«, sagte Greta Thunberg dazu dem schwedischen Rundfunksender SVT. Israel blockiert seit zwei Monaten jede Lieferung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern in den Gazastreifen – angeblich, um die dort herrschende Hamas unter Druck zu setzen, verbliebene Geiseln freizulassen. Kritiker*innen sehen darin jedoch den Versuch des Aushungerns und der geplanten Vertreibung der Bevölkerung.
Israel kommentierte den Vorwurf, für den Angriff auf das Schiff verantwortlich zu sein, nicht. Die Aktivist*innen und ihre Unterstützer*innen können dafür zwar keine Belege vorbringen. Schon am Freitag verbreiteten sich jedoch Hinweise auf auffällige Flugbewegungen eines israelischen Militärflugzeuges[1]. Nach Angaben der von Freiwilligen betriebenen Flugverfolgungswebsite ADS-B Exchange wurde bereits am frühen Donnerstagnachmittag eine C-130 Hercules registriert, die Israel verließ und nach Malta flog. Das Frachtflugzeug flog demnach für längere Zeit in relativ niedriger Höhe über dem östlichen Malta, dem Ort des mehrere Stunden später erfolgten Angriffs, und kehrte etwa sieben Stunden später nach Israel zurück.
Der Angriff im Mittelmeer hat weltweit Verurteilungen ausgelöst. Francesca Albanese, die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, erklärte, sie habe »einen verzweifelten Anruf von den Menschen der Freedom Flotilla erhalten« und rief die Behörden auf, »das Schiff und seine Besatzung zu unterstützen«. In Valletta, der Hauptstadt Maltas, gab es Proteste von Unterstützer*innen und Passagieren, die nach dem Angriff nicht mehr an Bord gehen konnten.
Derzeit liegt die »Conscience« in Gewässern, für die im Fall von Seenotrettungsmaßnahmen die maltesische Küstenwache zuständig ist. Auch Bewegungen im dortigen Luftraum (dem sogenannten Fluginformationsgebiet) müssen von Malta koordiniert werden. Im Falle der Rettung von Geflüchteten verweigern die Behörden jedoch oft jede Hilfe. Darauf machte am Samstag unter anderem die Organisation Sea-Watch aufmerksam, deren Flugzeug die »Conscience« nach einer Notfallmeldung überflogen hatte.
Malta ist ein neutraler Staat, doch die maltesische Regierung hat den beispiellosen Angriff in der Nähe ihrer Hoheitsgewässer nicht verurteilt. Oppositionsführer Bernard Grech von der konservativ-christdemokratischen Partit Nazzjonalista rief zu einer »vereinten nationalen Front« jenseits parteipolitischer Interessen auf und forderte ein »dringendes Treffen« mit dem Premierminister, um den Vorfall zu besprechen.