Kann man im Krieg Theater spielen, Witze machen, fröhlich sein und Humor zeigen? Für Boris Barskij stellt sich diese Frage nicht. Der Komiker Barskij ist Direktor, Hauptdarsteller und Drehbuchschreiber der Spaßtruppe Masky Show, die im Haus der Clowns in der »Botschaft des Humors« residiert. Seit 1984 ist die Gruppe in fast gleicher Besetzung zusammen. Vor 22 Jahren hat man von der Stadt Odessa ein Haus in der Olgiewska-Straße am Rande der historischen Altstadt bekommen.
An diesem Abend geht es um eine Ehe, die mehr schlecht als recht funktioniert. Und so wünscht sich der Ehemann, gespielt von Barskij, nichts sehnlicher als den Tod der Frau. Und tatsächlich, sie stirbt. Doch nun schwelgt der Mann, der seine Frau verloren hat, in nostalgischen Gefühlen an sie. Alle Streitigkeiten und langweiligen Abende sind vergessen. Nun ist sein neuer Begleiter der Alkohol. Doch wie durch ein Wunder erwacht seine totgeglaubte Frau zu neuem Leben. Und der Streit von früher geht in die nächste Runde.
Die 300 Zuschauerinnen, es sind kaum Männer im Publikum, lachen und freuen sich über den Humor, das Lichtspiel, die ausdrucksstarken Szenen und natürlich den Hauptdarsteller Boris. Es sind 90 Minuten, in denen niemand an den Krieg denkt[1].
»Wie können Sie eigentlich im Krieg fröhlich sein, Humor zeigen?«, geht die Frage an Boris Barskij. »Für mich ist Krieg das Schlimmste, was es auf der Welt gibt«, antwortet der Komiker. »Ich kann die Frauen gut verstehen, die nach dem Verlust ihres Mannes, ihres Vaters oder Bruders verzweifeln.«
2014 hatte das Kollektiv aus Protest gegen die Annexion der Krim durch Russland entschieden, nicht mehr auf der Schwarzmeerhalbinsel aufzutreten. Auch nach dem Überfall am 24. Februar 2022 ist Barskij in Odessa geblieben, obwohl er hätte fliehen können. »Die ersten Kriegstage werde ich nie vergessen«, sagt er.
In den vergangenen drei Jahren habe sich Odessa sehr geändert[2], berichtet er. Viele seien weggezogen. Gleichzeitig lebten nun viele Binnenflüchtlinge aus dem Donbass in Odessa. Und sie prägen auch das Straßenbild.
Barskij tritt nur in russischer Sprache auf. »Ich spreche fließend Ukrainisch«, sagt er. Gleichwohl übersetze er sich, wenn er Ukrainisch rede, jeden Satz erst einmal »mit meinem inneren Google-Übersetzer«. Und so klinge sein Ukrainisch nicht so authentisch, nicht so emotional wie seine Muttersprache, das Russische. Dank der Hartnäckigkeit von Barskij ist so das Haus der Clowns das einzige Theater in der Ukraine, in dem alle Stücke nur in russischer Sprache vorgetragen werden. Zwar werden an der Decke ukrainische Untertitel zu den gesprochenen Sätzen gezeigt. Aber niemand sieht an die Decke. In Odessa versteht man Russisch.
Und so ist es auch kein Zufall, dass sich Barskij zusammen mit 115 Personen des öffentlichen Lebens im Oktober 2024 an die Generaldirektorin der Unesco, Audrey Azoulay, gewandt hatte, um sie zu bitten, sich gegen den Abriss von Denkmälern einzusetzen und den Umbenennungen von Straßen Einhalt zu gebieten[3].
Unter den Unterzeichnern finden sich der weltberühmte Pianist Alexej Botwinow, der Bildhauer Michail Rewa, der Kaukasus-Spezialist Thomas de Waal, der Journalist Leonid Schtekel, der Charkiwer Architekt Maxim Rozenfeld und die Künstlerin Olga Jarowa.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191012.ukraine-gegen-den-krieg-anlachen.html