nd-aktuell.de / 05.05.2025 / Politik / Seite 1

Haftstrafe nach Brandanschlag gefordert

Staatsanwältin sieht neonazistische Motivation bei Brandstiftung in Bremer Jugendzentrum

Joachim Tornau, Bremen
Erst jetzt wird ein Anschlag gegen die »Friese« vor dem Bremer Landgericht verhandelt, der bereits vor mehr als fünf Jahren verübt wurde.
Erst jetzt wird ein Anschlag gegen die »Friese« vor dem Bremer Landgericht verhandelt, der bereits vor mehr als fünf Jahren verübt wurde.

Sie malten sich bewaffnete Angriffe auf linke Szeneviertel aus. Sie wollten Frauen vergewaltigen, nur weil sie einen Pullover mit dem Totenkopfsymbol des FC St. Pauli trugen. Und sie sprachen offen davon, wie schön es wäre, wenn es in Deutschland wirklich einen Rechtsruck gäbe. Denn dann, geiferten die drei Neonazis, könne man »diese Dreckszeckenhöhlen ausräuchern«.

Als diese offenherzigen Gespräche von der Polizei belauscht wurden, soll das mit dem »Ausräuchern« schon keine bloße Gewaltfantasie mehr gewesen sein. Im Februar 2020 brannte es im linksalternativen Bremer Kultur- und Jugendzentrum »Die Friese«, weil das Trio aus dem Umfeld der mittlerweile aufgelösten Kleinstpartei »Die Rechte«[1] dort Feuer gelegt haben soll. Spätabends, während eines Konzerts, das rund 30 Menschen besuchten. Der Brand verwüstete Teile des Zentrums und richtete einen Schaden von fast 190 000 Euro an.

Seit Januar läuft der späte Prozess vor dem Bremer Landgericht.[2] Am Montag begannen die Plädoyers. Und Staatsanwältin Melina Lutz hatte weder Zweifel an der Schuld der Angeklagten noch an ihrer neonazistischen Tatmotivation. »Wir haben hier keinen Dummejungenstreich«, betonte die Anklagevertreterin. »Dass es zu einem vergleichsweise harmlosen Ausgang kam, ist nur glücklichen Umständen zu verdanken.« Weil der Brand recht schnell bemerkt wurde, hatten sich alle Besucher*innen der »Friese« rechtzeitig ins Freie retten können. Einige haben allerdings noch heute mit den psychischen Folgen zu kämpfen.

Wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung forderte die Staatsanwältin für Jan E. als Haupttäter eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Der 29-Jährige aus Dörverden sei an jenem Tag mit dem Vorsatz nach Bremen gefahren, einen Brandanschlag auf das Jugendzentrum im alternativen Steintor-Viertel zu begehen – und habe eigens dafür Neonazi-Aufkleber mitgenommen, die er am Tatort hinterließ. Für seine beiden Gesinnungsgenossen Dave S. (41) und Nico J. (35) verlangte die Anklägerin Bewährungsstrafen von 19 und 24 Monaten, wegen Beihilfe. Sie hätten unter anderem Schmiere gestanden.

Einhellig hatten alle Angeklagten vor Gericht erklärt, bei einer gemeinsamen Sauftour in der »Friese« gelandet zu sein – aber nur zum Pinkeln und Kickern. Versehentlich und ohne es zu bemerken, will Jan E. dann beim Versuch, sich sternhagelvoll eine Zigarette anzuzünden, eine Jacke in Brand gesetzt haben. Eine Version, die sich die Neonazis ziemlich genauso schon in ihren abgehörten Gesprächen zurechtgelegt hatten. Und die ihnen weder die Staatsanwaltschaft noch die Nebenklage abnahm.

»Das erweist sich als hanebüchene Schutzerzählung«, befand Rechtsanwalt Nils Dietrich, der eine Betroffene der Brandstiftung vertritt. »Es gibt nur einen einzigen Grund für die Brandlegung: Und das ist die politische Gesinnung von Jan E.« Der hatte wie seine beiden Mitangeklagten vor Gericht behauptet, eigentlich schon vor jener Nacht nicht mehr so richtig politisch aktiv gewesen zu sein. Das beißt sich indes nicht nur mit den abgehörten Gesprächen, sondern auch mit den neonazistischen Devotionalien, die bei ihm gefunden wurden.

Neben Hakenkreuzfahne, Reichskriegsflagge und Hitlers »Mein Kampf« besaß er ein Manifest des verbotenen Neonazi-Netzwerks »Blood & Honour«, in dem der militante Kampf in kleinen Zellen gepredigt wird. Und er hatte es offenbar gelesen. Als es bei einer von der Polizei belauschten Autofahrt wieder einmal um politische Gewalt gegangen war, dozierte Jan E.: »Dann musst du halt eine kleine Zelle sein.«

Für die Nebenklage steht damit fest: Hier geht es um Rechtsterrorismus. »Die Botschaft ist klar: Wer im Visier von Nazis ist, soll sich nicht sicher fühlen können«, sagte Anwältin Lea Voigt. Umso unverständlicher sei, wie schleppend anfangs ermittelt worden sei. »Die Polizei hat den Betroffenen zwei Jahre das Gefühl vermittelt, dass es ihr scheißegal ist.[3] Das lässt den Staatsschutz in einem extrem schlechten Licht dastehen.«

»Wir haben hier keinen Dummejungenstreich. Dass es zu einem vergleichsweise harmlosen Ausgang kam, ist nur glücklichen Umständen zu verdanken.«

Melina Lutz Staatsanwältin

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189882.rechtsextremismus-die-rechte-loest-sich-auf.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189066.jugendzentrum-die-friese-bremen-neonazis-wegen-mutmasslichen-brandanschlags-vor-gericht.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188293.rechte-gewalt-nach-anschlag-in-bremen-mit-wenig-eifer-gegen-nazis-ermittelt.html