Immer häufiger finden sich in Drogeriemärkten und auf Social Media speziell an Kinder gerichtete Produkte und Inhalte – Lippenbalsam mit Melonengeschmack, Körperpflege in Glitzerverpackungen, Beauty-Routinen für vorpubertäre Gesichter. Kinder werden zur neuen Frontlinie einer Schönheitsindustrie, die noch radikaler, noch gewissenloser neue Zielgruppen erschließt.
Dabei könnte man argumentieren, dass dies schlicht Teil einer »normalen« Marktdiversifizierung ist: Kinder wollen sich eben auch mit Kosmetik ausprobieren und nachahmen, was Erwachsene tun. Doch hier wird nicht nur kindliche Spielfreude bedient – hier werden Schönheitsideale und Konsumstandards in immer jüngeren Altersgruppen sozialisiert. Schönheitspflege für Grundschülerinnen ist kein unschuldiges Spiel mit Glanz und Duft. Es prägt Standards, bevor überhaupt jemand sagen kann: »Ich mag mich so, wie ich bin.« Zehnjährige, die aussehen wollen wie Sechzehnjährige, die wiederum aussehen wollen wie die retuschierten Avatare auf Instagram. Die kaufen nicht Cremes und Masken – sonderen auch die Idee, dass sie »nicht genug« sind.
Aus ökologischer Perspektive handelt es sich bei vielen dieser Produkte um einen Paradefall sinnlosen Ressourcenverbrauchs. Denn wir reden hier über winzige Plastikverpackungen für einzelne Tuchmasken, Inhaltsstoffe mit zweifelhaftem Umweltruf, Glitzerpartikel aus Mikroplastik, hormonaktive Substanzen – alles, um eine Haut zu »pflegen«, die gerade erst begonnen hat, Talg zu produzieren.
Ökonomisch gesehen zahlen Eltern und Kinder hier mehrfach drauf, denn sie kaufen Dinge, die nicht nur nicht gebraucht werden, sondern auch mehrfach schaden. Die Margen solcher Kosmetikprodukte sind hoch, und das Marketing nutzt gezielt die psychologischen Mechanismen der sozialen Zugehörigkeit, Nachahmung und Statusbildung aus – besonders wirksam in einer Altersgruppe, die gerade erst beginnt, ihr Selbstbild zu entwickeln.
Eltern stehen in einem Dilemma: Einerseits wollen sie verhindern, dass ihre Kinder sich an teuren, unnötigen Produkten orientieren. Andererseits gehört es zum Aufwachsen dazu, Fehler beim Umgang mit Geld zu machen. Schminken und Körperpflege können für Kinder spielerisch sein, eine Möglichkeit, den eigenen Körper zu entdecken. Und wie bei jedem Konsumtrend sind neben moralischen Kontra-Argumenten auch hedonistische Aspekte zu bedenken, die sich nicht einfach wegmoralisieren lassen. Was also tun?
Auf die regulierende Wirkung der Politik ist nicht zu hoffen, siehe die Diskussion um ein Verbot von Süßigkeitenwerbung. Es braucht jedoch nicht nur konsumkritische Bildung, um Kinder frühzeitig für die Mechanismen von Werbung und Schönheitsidealen zu sensibilisieren, sondern auch spaßbringende Alternativen, wie DIY-Challenges (wer mixt die grünste Avocado-Maske?) oder Fantasy-Schmink-Challenges, wo es statt »schöner werden« heißt: »Werde, was du sein willst.«