Spätestens 2027 sollen die Berliner Verkehrsbetriebe[1] (BVG) wieder ein stabiles Angebot fahren, so lautet das Versprechen des Vorstandschefs Henrik Falk. Ein wichtiger Beitrag dafür soll nach jahrelanger Verspätung die Inbetriebnahme der neuen Fahrzeugflotte der U-Bahn sein.
Die öffentlich verbreitete Hoffnung auf mehr Stabilität bei der U-Bahn ruht auf der Inbetriebnahme der ersten Neufahrzeuge des Herstellers Stadler Rail. Die ist im Anschluss an die Sommerferien im September angekündigt. Zunächst auf der U3[2] sollen laut aktuellen Planungen die ersten der bisher 140 bestellten Wagen der Baureihe JK in den Fahrgasteinsatz kommen. Im Idealfall bis Jahresende soll die Flotte ausgeliefert und der Notfahrplan auf den Linien U1 bis U4 Geschichte sein.
Der Buchstabe »K« steht hier für »Kleinprofil«, den ältesten Teil des Berliner U-Bahnnetzes, der die Linien U1 bis U4 umfasst. Die Wagen sind schmaler und kürzer, die Bahnsteige niedriger als im anderen Netzteil, der folgerichtig »Großprofil« genannt wird.
Doch auch derzeit kann die BVG nicht mal den Notfahrplan annähernd einhalten. Die momentan baubedingt eingerichtete Linie U12 von Warschauer Straße nach Ruhleben fährt allzu oft nicht im versprochenen Fünf-Minuten-Takt, sondern deutlich seltener. Die U4 ist oft nur alle 20 Minuten unterwegs. Nach Wochen der weiteren Ausfälle nannte die BVG[3] auf Anfrage als Grund die Schulung von Fahrpersonal für den neuen U-Bahn-Typ. Trotz aller sich selbst bescheinigten Transparenz informiert das Landesunternehmen nicht proaktiv über Probleme, sondern räumt diese erst auf beharrliche Nachfrage ein.
Ab Juli 2026 sollen auch die ersten Neufahrzeuge vom Typ J den Fahrgastbetrieb auf der U5 aufnehmen. Insgesamt 344 Wagen sind bisher für die Großprofillinien U5 bis U9 fest bestellt und sollen bis Ende 2027 ausgeliefert werden; somit werden sie dann nicht nur auf der U5 anzutreffen sein. Doch das Ende aller Sorgen für ein verlässliches Angebot bei der U-Bahn wird damit nicht erreicht sein, wie ein Blick in den just veröffentlichten Geschäftsbericht 2024 der BVG verrät.
»Das Risiko, dass es zu geringeren Verkehrsleistungen und in der Folge zu geringeren Ausgleichsleistungen kommt, wird als hoch angesehen«, heißt es gleich zu zwei Themen im U-Bahn-Netz. Einerseits geht es um den Einsatz überalterter Bestandsfahrzeuge, was laut Geschäftsbericht »zu erhöhtem Wartungsaufwand und häufigeren Ausfällen führt«.
Deutlich gravierender sind jedoch laut Bericht die »Verzögerungen bei der Planung und Umsetzung des Werkstättenkonzeptes« für die U-Bahn. Alle drei Betriebswerkstätten müssen saniert, umgebaut und erweitert werden, um die neue Flotte dauerhaft in Betrieb zu halten. Doch bisher ist nur das Projekt der Werkstatt Machandelweg am U-Bahnhof Olympia-Stadion auf fortgeschrittenem Weg. Sie ist für die Linien U1 bis U4 zuständig. Der Umbau der Werkstätten Friedrichsfelde (U5) und Britz (U6 bis U9) hängt weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan.
Daher kann es laut Geschäftsbericht »mittelfristig zu Engpässen bei der Bereitstellung, Instandhaltung und Verfügbarkeit von U-Bahn-Fahrzeugen kommen«. Das hätte »massive Auswirkungen auf die für die Fahrplanerfüllung notwendige Fahrzeugverfügbarkeit und wäre im Fahrgastbetrieb der U-Bahn deutlich spürbar«, heißt es weiter.
Von den gravierenden Problemen bei den Werkstätten ist in der zeitgleich mit dem Geschäftsbericht 2024 am Montag veröffentlichten Pressemitteilung keine Rede. »Praktisch reibungslos« habe die BVG »mit Einsatz und kreativen Ideen« den Fanansturm zur Fußball-EM im Sommer 2024 gemeistert, heißt es im bekannten Jubelton. Dass für die EM-Zusatzfahrten auf U1, U2 und U5 auf anderen Linien das Angebot gekürzt worden ist, gehört wohl zu den nicht genauer ausgeführten kreativen Ideen.
Immerhin werden auch die »großen Herausforderungen« bei der überalterten U-Bahn-Flotte in der Pressemitteilung erwähnt und der Absturz bei der sogenannten Zuverlässigkeit des Betriebs. 6,2 Prozent aller vorgesehenen Fahrten sind 2024 bei der U-Bahn ausgefallen – fast jede 16. Fahrt. Zum Vergleich: 2023 fiel nur jede 40. Fahrt aus.
Doch auch hier hält sich das Landesunternehmen zugute, dass es die »Entwicklung bereits frühzeitig transparent gemacht und entsprechend gegengesteuert« habe. Auf Deutsch heißt das, dass im Herbst deutliche Fahrplankürzungen auf mehreren Linien vorgenommen wurden, nachdem der Öffentlichkeit die vollkommene Instabilität des Betriebs nicht mehr zu verleugnen war. In der Spitze fiel zuvor jede achte Fahrt aus.
Bemerkenswert ist im Geschäftsbericht jedoch die Ankündigung, dass im vierten Quartal die Arbeiten für den Ersatzneubau des Waisentunnels starten sollen. Seit 2018 ist die Betriebsverbindung von U5 und U8 wegen der maroden Spreequerung gesperrt. Wegen anhaltender Blockaden des Wasser- und Schifffahrtsamtes lag bisher kein Planfeststellungsbeschluss vor. Es gab also kein Baurecht.
»Der Waisentunnel ist die einzige Schienentransportverbindung der Linie U5 zum restlichen Großprofilnetz und spielt eine zentrale Rolle für die Instandhaltung der Fahrzeugflotte, denn der Tunnel sichert die Verbindung zur U-Bahn-Werkstatt in Friedrichsfelde«, heißt es im Geschäftsbericht. Man scheint sich also ziemlich sicher zu sein, dass nun sehr bald Baurecht vorliegt. Das wäre zur Abwechslung mal eine gute Nachricht von der U-Bahn.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191086.bvg-oepnv-in-berlin-u-bahn-bleibt-hochrisikopatient.html