Würde man einen durchschnittlichen Israeli bitten, Izchak Herzog[1] – Präsident des Landes seit 2021 – zu beschreiben, käme vermutlich erst einmal Schweigen. Und wenn überhaupt ein Wort fällt, dann wohl »schwach«. In einem höchst militarisierten Land wie Israel könnte das zunächst sogar positiv klingen. Doch so ist es nicht gemeint. Denn die Schwäche des aus der Arbeiterpartei stammenden Präsidenten zeigt sich vor allem in seiner zögerlichen Haltung gegenüber dem von rassistischer Spaltung und Korruption[2] geprägten Führungsstil des rechten Premierministers Benjamin Netanjahu.
Damit unterscheidet sich Herzog deutlich von seinem Vorgänger Reuven Rivlin, der – trotz seiner erzkonservativen Haltung – konsequent den Rechtsstaat verteidigte und sich sogar für die palästinensische Minderheit innerhalb Israels einsetzte. Herzog hingegen meidet jede offene Konfrontation mit Netanjahu – sehr zum Ärger vieler Israelis, die in Massen gegen die umstrittene Justizreform protestierten[3]. Neue Enthüllungen in der Zeitung »Haaretz« legen nahe, dass Herzog noch vor seiner Präsidentschaft, als Oppositionsführer, versucht haben soll, eine Zeugin in den Korruptionsermittlungen gegen Netanjahu und den Geschäftsmann Arnon Milchen zu beeinflussen. Mit dem wegen Bestechung verdächtigten Milliardär soll er selbst enge Beziehungen gepflegt haben.
Viel schwerer wiegt jedoch – auch auf internationaler Bühne – seine offene Unterstützung für Kriegsverbrechen. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit besuchte er Hebron im Westjordanland und bekundete Solidarität mit den extremistischen Siedlern in der völkerrechtswidrig besetzten Stadt – ausgerechnet am Ort eines Massakers an Dutzenden muslimischen Gläubigen im Jahr 1994. Die Entscheidung des jüdisch-US-amerikanischen Eiscremeherstellers Ben & Jerry’s, sein Eis nicht mehr in den von Siedlern okkupierten Gebieten der Westbank zu verkaufen, bezeichnete Herzog im selben Jahr als »neue Form des Terrors«.
Besonderes nach dem brutalen Hamas-Angriff am 7. Oktober fiel der einstige Anführer des israelischen Friedenslagers dann durch hetzerische Aussagen auf. Seine Behauptung, »eine ganze Nation« stehe hinter den Taten der Hamas, und dass die »Rhetorik von unbeteiligten Zivilisten (...) völlig unwahr« sei, wurde im Beschluss des Internationalen Gerichtshofs zum Gaza-Völkermord-Verfahren sogar zitiert. Hertzog empörte sich später über eine »antisemitische ›Blutlüge‹« des IGH.
Während Israels Regierung das Aushungern der Zivilbevölkerung als Kriegswaffe einsetzt und offen eine ethnische Säuberung des gesamten Gazastreifens plant, mag das politische Berlin den Besuch des einst als liberal geltenden Staatsoberhaupts als beste Möglichkeit sehen, die 60-jährigen diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten zu würdigen, ohne Premier Netanjahu oder seine rechtsradikalen Kabinettsmitglieder einladen zu müssen. Denn wegen des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen gegen Netanjahu wäre die Bundesrepublik verpflichtet, ihn auszuliefern.
Mit dem Empfang Herzogs stärkt Deutschland jedoch keineswegs die wachsende Opposition gegen den Krieg oder die Bewegung für einen Deal zur Rettung der in der Gewalt der Hamas befindlichen israelischen Geiseln, sondern hofiert eine politische Figur, die an jeder entscheidenden Stelle zu deren Schwächung beigetragen hat.