nd-aktuell.de / 09.05.2025 / Politik / Seite 1

Holocaust-Überlebende Margot Friedländer gestorben

Gebürtige Berlinerin wird 103 Jahre alt. Letzter öffentlicher Auftritt vor wenigen Tagen

Caroline Bock und Verena Schmitt-Roschmann
»Es darf nie wieder geschehen«: Margot Friedländer engagierte sich unermüdlich gegen das Vergessen.
»Es darf nie wieder geschehen«: Margot Friedländer engagierte sich unermüdlich gegen das Vergessen.

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer ist tot. Sie starb am Freitag im Alter von 103 Jahren, wie die Margot-Friedländer-Stiftung in Berlin mitteilte. »Mit ihrem Tod verliert Deutschland eine bedeutende Stimme der Zeitgeschichte«, erklärte die Stiftung. Noch am Mittwoch dieser Woche trat sie in Berlin öffentlich auf. »Ihre letzten öffentlichen Worte anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 7. Mai 2025 im Berliner Rathaus waren: ›Für Euch. Seid Menschen. Das ist es, was ich Euch bitte zu tun: Seid Menschen!‹«, heißt es weiter.

Die aus einer jüdischen Familie stammende und von den Nazis verfolgte Friedländer war nach sechs Jahrzehnten als Emigrantin in New York im hohen Alter nach Deutschland zurückgekehrt. Seither engagierte sie sich unermüdlich gegen das Vergessen. Sie erzählte ihre Geschichte regelmäßig in Schulen.

»Eine der stärksten Stimmen«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilte mit: »Die Nachricht vom Tode Margot Friedländers erfüllt mich mit tiefer Trauer. Sie hat unserem Land Versöhnung geschenkt – trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein.« Bundeskanzler Friedrich Merz nannte Friedländer auf der Plattform X »eine der stärksten Stimmen unserer Zeit: für ein friedliches Miteinander, gegen Antisemitismus und Vergessen«. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) würdigte Friedländers Einsatz gegen das Vergessen.

Großes Verdienstkreuz war ihr zugedacht

Am Freitag hätte Friedländer eigentlich bei einem öffentlichen Termin das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland bekommen sollen. Der Termin wurde jedoch abgesagt. Auch an der Gedenkstunde zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am Donnerstag nahm Friedländer nicht mehr teil. Zahlreiche Ehrungen hatte Friedländer bereits in den vergangenen Jahren erhalten.

Familie in Auschwitz ermordet

Margot Friedländer wurde 1921 in eine jüdische Familie geboren. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden aus Berlin deportiert und im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Sie selbst konnte dank vieler Helfer zunächst untertauchen, wurde dann aber gefasst und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Sie überlebte, so wie ihr späterer Mann, mit dem sie schließlich in die USA ging.

Aus Friedländers direkter Familie überlebte niemand außer ihr den Holocaust. Dennoch zog sie mit fast 88, nach dem Tod ihres Mannes, wieder zurück in ihre Heimat, nach Berlin. Sie kam zurück in das Land der Täter und sagte doch: »Hass ist mir fremd.« Mit 96 Jahren wurde sie Ehrenbürgerin Berlins. 2023 gründete sie die Margot-Friedländer-Stiftung.

Mahnung und Verpflichtung

Friedländers Vermächtnis sei Mahnung und Verpflichtung, erklärte Bundespräsident Steinmeier. Dies gelte besonders in einer Zeit, in der die Demokratie angefochten wird und sich Antisemitismus wieder unverhohlen zeigt. Es bleibe »unsere Verantwortung, die jüdische Gemeinschaft in unserem Land nie wieder im Stich zu lassen«. Er selbst habe das Glück gehabt, Friedländer oft zu treffen, erklärte der Bundespräsident weiter.

»Eine Gesellschaft ohne sie kaum vorstellbar«

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, teilte mit, Friedländer habe das Menschsein zu ihrem zentralen Anliegen gemacht. »Sie war nicht nur eine mahnende Stimme unserer Zeit, sondern besaß auch die Gabe, stets das Beste in ihrem Gegenüber zu sehen. Eine Gesellschaft ohne sie ist für mich kaum vorstellbar.« Auch der World Jewish Congress würdigte Friedländer. Präsident Ronald Lauder erklärte in New York, Friedländer sei eine »Frau unerschütterlichen moralischen Muts« gewesen und eine Stimme der Erinnerung für Generationen. dpa/nd