nd-aktuell.de / 09.05.2025 / Politik / Seite 1

Fridays for Future fordert Sofortprogramme für Klimaschutz

Neben einer Reihe von Maß­nahmen in den Sektoren Energie und Verkehr verlangt die Umwelt­gruppe einen Plan für den Gas­ausstieg

Anton Benz
Carla Reemtsma, Fridays for Future Deutschland, Linda Kastrup, Fridays for Future Deutschland, Franziska Wild, Fridays for Future Bayern, und Klimaaktivistin Luisa Neubauer (v. l. n. r.) geben vor dem Kanzleramt eine Pressekonferenz unter dem Motto »Welt brennt, Zeit rennt«.
Carla Reemtsma, Fridays for Future Deutschland, Linda Kastrup, Fridays for Future Deutschland, Franziska Wild, Fridays for Future Bayern, und Klimaaktivistin Luisa Neubauer (v. l. n. r.) geben vor dem Kanzleramt eine Pressekonferenz unter dem Motto »Welt brennt, Zeit rennt«.

Vor dem Kanzleramt wird am Freitagvormittag Rasen gemäht, als bereite man das Gelände für den neuen Hausherren Friedrich Merz vor. Drei Tage nachdem Olaf Scholz hier seine Amtsgeschäfte übergeben hat, stellt Fridays for Future (FFF) hier Forderungen für die ersten 100 Tage der neuen Regierung – und kündigt ebenso viele Aktionen an. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD[1] blende die Realität aus und sei voller fossiler Projekte[2], sagt Carla Reemtsma. Deshalb wolle FFF der neuen Regierung »ein bisschen Nachhilfe« geben, was jetzt erforderlich ist.

Die Umweltgruppe fordert, das Klimaschutzgesetz zu stärken und die verbindlichen Sektorziele wieder einzuführen[3]. »Klimaschutz ist wie Triathlon«, so Reemtsma. »Wenn man nur in einer Disziplin gut ist, ist man am Ende nicht mit vorne dabei.« Für die Sektoren Verkehr und Gebäude fordert FFF Sofortprogramme, darunter eine sozial gerechte Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), ein dauerhaft bezahlbares Deutschlandticket und die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen wie der Pendlerpauschale.

Zudem brauche es einen Plan für den Gasausstieg bis 2035 und eine Überarbeitung der Kraftwerksstrategie, mit dem Ziel, alle fossilen Projekte zu beenden. Laut Koalitionsvertrag plant Schwarz-Rot bis zu 20 Gigawatt neue Gaskraftwerksleistung. »Das entspricht rund 30 Kraftwerken«, sagt Franziska Wild. »Die Regierung befindet sich im schieren Gasrausch.« Die Aktivistin kommt aus Bayern, wo FFF vergangene Woche gegen geplante Gasbohrungen in Reichling am Ammersee[4] protestiert hat.

Carla Reemtsma betont im Gespräch mit »nd«, dass die Sofortprogramme allein nicht ausreichen. Sie seien aber nötig, weil die ersten Wochen einer neuen Regierung den Kurs bestimmen. »Fällt sie in den ersten 100 Tagen wegweisende Fehlentscheidungen, wäre das fatal«, so die Aktivistin.

Das gelte auch für das Argument, Gas sei eine notwendige Brückentechnologie[5], und heimische Bohrungen seien dem Import von Flüssigerdgas vorzuziehen. Reemtsma warnt: »Mehr Gas bedeutet mehr Verbrauch. Die Industrie hat dann weniger Anreize, umzustellen.« Mit Blick auf geplante Bohrungen in Bayern sagt sie, das Projekt öffne »Tür und Tor für weitere Bohrungen«. Daher brauche es einen verbindlichen Ausstiegsplan.

Und was hält FFF vom neuen Umweltminister Carsten Schneider (SPD)? Anders als bisher bündelt die Regierung die Zuständigkeiten für Klimaschutz wieder im Umweltressort, das nun Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN) heißt. Zudem strich die Regierung den Posten des Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik und verlagerte diese Aufgabe vom Auswärtigen Amt ins Umweltministerium. Reemtsma sieht es daher als Schneiders Aufgabe, die internationale Klimapolitik zu stärken und angesichts des US-Ausstiegs aus dem Pariser Klimaabkommen zu zeigen: »Deutschland übernimmt Verantwortung.«

Um den Forderungen von FFF Nachdruck zu verleihen, kündigte Luisa Neubauer für die ersten 100 Tage der Regierung bundesweit 100 Protestaktionen an. »Wir werden Druck machen, 100-mal, um der Regierung klarzumachen: An uns kommen sie nicht vorbei«, sagte Neubauer. FFF habe kein Interesse an Fundamentalopposition, sondern wolle von Friedrich Merz »im besten Sinne überrascht werden«. »Wir sind die Ersten, die ihm gratulieren für Klimaschutz, der der Realität entspricht«, so die Klimaaktivistin und Autorin.

Während die Aktivistinnen ihre Forderungen verkündeten, schritten die Arbeiten vor dem Kanzleramt voran. Ein zweiter Rasenmäher kam hinzu, beide elektrisch, ebenso wie das Auto, in dem sie transportiert wurden. Dann tauchten direkt vor dem Eingang zwei grüne Lastenräder auf. Unwahrscheinlich, dass sich Friedrich Merz von Klimaaktist*innen belehren lassen wird – vielleicht hört er ja auf die Mitarbeitenden des Kanzleramts.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190526.koalitionsvertrag-technikattacke-auf-den-klimaschutz.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189865.energiewende-fridays-for-future-klimaproteste-waehrend-koalitionsverhandlungen.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190570.klimaschutz-vier-verlorene-jahre-drohen.html
  4. https://www.br.de/nachrichten/bayern/koa-gas-erneuter-protest-gegen-erdgasbohrung-bei-landsberg,Uk7xWP6
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187450.protest-gegen-fluessigerdgas-lobby-lng-gipfel-in-berlin-auf-gehtrs-ab-gehtrs-n-summit-crashen.html