Brüssel. Die EU-Kommission appelliert an die neue deutsche Bundesregierung, Grenzkontrollen eng mit ihren Nachbarländern abzustimmen. Solche Maßnahmen erforderten eine enge Koordinierung »insbesondere mit allen betroffenen Mitgliedstaaten«, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Man stehe mit den Behörden in Deutschland und dessen Nachbarstaaten in Kontakt, »um die notwendigen Informationen über diese Maßnahmen und ihre Umsetzung in der Praxis zu erhalten«. Grundsätzlich sei die Wiedereinführung vorübergehender Kontrollen an den Binnengrenzen möglich, aber nur unter bestimmten Bedingungen.
Hintergrund sind die verschärften Regeln an den deutschen Grenzen, die Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordnet hat. Wie die »Bild am Sonntag« berichtete, wurden laut einer ersten Bilanz am Donnerstag und Freitag 19 Flüchtlinge trotz Asylgesuchs wegen unerlaubter Einreise zurückgewiesen. Insgesamt registrierte die Bundespolizei an diesen beiden Tagen 365 unerlaubte Einreisen, 286 Menschen wurden zurückgewiesen. Hauptgründe waren fehlende Visa, fehlende oder gefälschte Dokumente sowie bestehende Einreisesperren.
Dobrindt hatte in seinem neuen Grenzerlass Ausnahmen für vulnerable Personen vorgesehen: Kinder, schwangere Frauen und Kranke sollen nicht zurückgewiesen werden. In vier Fällen konnten Migranten mit Asylbitte deshalb einreisen. Zudem wurden innerhalb der zwei Tage 14 angebliche Schleuser vorläufig festgenommen, 48 offene Haftbefehle vollstreckt sowie neun Personen »aus dem extremistischen oder islamistischen Spektrum« bei der Einreise aufgegriffen.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) betonte, die Maßnahmen seien mit den europäischen Nachbarn abgesprochen und nicht als Dauerlösung gedacht. Erste Nachbarländer hatten zuvor jedoch heftige Kritik an dem Vorgehen Berlins geäußert.
Die Bundespolizei bestätigte, dass sie Dobrindts Anordnung umsetzt. »Unsere Kollegen werden jeden Asyl- und Schutzersuchenden zurückweisen, außer Schwangere, Kranke, unbegleitete Minderjährige«, sagte Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei der Bild. Die Verantwortung dafür liege »alleine beim Bundesinnenministerium«. Roßkopf widersprach damit Kanzler Friedrich Merz (CDU), der zuvor betont hatte, Deutschland kontrolliere ähnlich moderat wie zur EM 2024 – damals ohne Zurückweisungen.
Die Maßnahme bleibt innenpolitisch umstritten. Der Grünen-Politiker Helge Limburg warf der Bundesregierung »kommunikatives Chaos« vor und kritisierte pauschale Zurückweisungen als Verstoß gegen Europarecht. Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch mahnte, dass jedes Vorgehen mit den Nachbarstaaten abgestimmt sein müsse.
Scharfe Kritik kam auch vom Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann. Auf dem Chemnitzer Parteitag sagte er: »Wer aus Angst vor den Rechten rechte Politik macht, der kann nur verlieren.« Die Linke werde gegen solche Maßnahmen Widerstand leisten.
Gleichzeitig stellte die EU-Kommission drei Milliarden Euro für Migrationsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten bereit. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Brüssel an. Die Gelder sollen vor allem der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge dienen, aber auch in zwei Fonds fließen, die für Grenzschutz, Visapolitik und Integration vorgesehen sind. Die Mittel stammen aus Umschichtungen im EU-Haushalt und sollen bis Ende 2027 zur Verfügung stehen.
Ziel ist es laut Kommission, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der neuen EU-Regeln für Asyl und Migration zu unterstützen. Diese sollen ab kommendem Jahr gelten und unter anderem einheitliche Verfahren an den Außengrenzen sowie eine erleichterte Rückführung von Menschen ohne Schutzanspruch ermöglichen. Agenturen/nd