Am Mittwoch wurde ein 67-jähriger von der Polizei in Wuppertal beinahe tödlich getasert. Der Mann soll in der Fußgängerzone ein Messer bei sich geführt haben. »Im Rahmen des polizeilichen Einsatzes« sei er laut Staatsanwaltschaft »reanimationspflichtig« geworden. Die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/Cilip dokumentiert seit 2018 elf Todesfälle[1] im Zusammenhang mit diesen »Distanz-Elektroimpulsgeräten« (DEIG). Als offizielle Todesursachen wurden regelmäßig Herzprobleme, Drogen- oder Alkoholkonsum sowie psychische Ausnahmesituationen genannt – offiziell wurde der Zusammenhang mit dem Einsatz der Elektroschockwaffe meist ausgeschlossen.
Nun hat die Cilip erstmals offizielle Statistiken zu Taser-Einsätzen in Deutschland erhalten. Zwischen 2021 und 2023 verdoppelte sich die Zahl der dokumentierten Auslösungen demnach auf insgesamt 1171. Die Daten wurden vom Polizeitechnischen Institut der Deutschen Hochschule der Polizei erhoben und zeigen: In vielen Fällen ging vom Einsatz keine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben aus. Allein im Jahr 2023 waren die betroffenen Personen in 662 Fällen unbewaffnet.
Taser gelten als »nicht-tödliche Waffen«, sind aber nicht risikofrei. Sie verschießen zwei stromleitende Pfeile mit hoher Geschwindigkeit, die sich in die Haut bohren und über Drähte eine Muskelverkrampfung auslösen. Im Kontaktmodus wird der Taser direkt auf den Körper gesetzt. Für bestimmte Gruppen – darunter Ältere, Schwangere oder Personen mit Vorerkrankungen – empfiehlt selbst die Polizei Zurückhaltung beim Einsatz.
Die Statistik der Polizeihochschule erfasst ausschließlich tatsächliche Auslösungen des Geräts. Nicht gezählt sind bloße Androhungen, etwa durch das sichtbare Anvisieren mit dem integrierten Laser oder durch den gut hörbaren Lichtbogen zwischen den Elektroden. Allein in Nordrhein-Westfalen wurde das Gerät 2023 rund dreimal so oft angedroht wie tatsächlich verwendet, ergab eine Abfrage des »nd«[2].
Während bis in die 2010er-Jahre fast ausschließlich Spezialeinheiten auf Taser zugreifen konnten, werden sie seit 2018 zunehmend auch im Streifendienst eingesetzt. Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Bayern, Schleswig-Holstein, Bremen und das Saarland haben sie fest eingeführt. In Berlin, Hamburg, Hessen und bei der Bundespolizei laufen Pilotprojekte.
Die von der Polizeihochschule geführte Taser-Statistik ähnelt der bereits seit 1984 geführten zu Schusswaffengebräuchen – liefert aber weit detailliertere Angaben: Erfasst werden auch Alter, Geschlecht, Drogen- oder Alkoholkonsum, Art der Verletzung und medizinische Folgen bei den Betroffenen. Demnach kam es 2023 bei fast der Hälfte aller Taser-Einsätze zu Verletzungen. Meist waren diese leicht oder oberflächlich durch die Pfeile und Elektroden der Taser entstanden, aber auch durch Stürze infolge der Muskelverkrampfung.
In 229 Fällen war eine ambulante, in mehreren Dutzend Fällen eine stationäre Behandlung der Betroffenen notwendig. Ein Fünftel von ihnen wurde anschließend nach Psychisch-Kranken-Gesetzen in Einrichtungen zwangseingewiesen. Das zeigt, dass Taser in großem Umfang gegen psychisch Kranke eingesetzt werden.
Eine Spalte für Todesfälle gibt es in den offiziellen Taser-Listen nicht – auch weil sie nach Lesart der Behörden nicht vorkommen.
Obwohl das Szenario den Einsatz eigentlich ausschließt, fordert die rechte Polizeigewerkschaft DPolG auch nach den tödlichen Schüssen auf Lorenz A.[3] in Oldenburg die Einführung der Waffen im Streifendienst in Niedersachsen. Der 21-Jährige flüchtete in der Nacht zu Ostersonntag vor der Polizei und wurde von einem Beamten von hinten erschossen – in solchen Fällen ist der Einsatz eines Tasers nicht zulässig.