nd-aktuell.de / 11.05.2025 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 1

Gegen den Stillstand in der Politik

Pflegekräfte und ihre Verbände streiten am 12. Mai für die Stärkung ihres Berufs

Ulrike Henning
Körperpflege gehört auch dazu: Schwer Kranke oder körperlich Behinderte brauchen hierbei Unterstützung.
Körperpflege gehört auch dazu: Schwer Kranke oder körperlich Behinderte brauchen hierbei Unterstützung.

Der Internationale Tag der Pflegenden an diesem Montag bewegt die Gemüter – zumindest in der Branche und auch in der Politik. Seit 1974 offiziell am 12. Mai begangen, wurde er zuvor 1965 eingeführt. Pläne dafür gab es bereits 1953. Eine Mitarbeiterin des US-Gesundheitsministeriums soll die Idee gehabt haben, den Geburtstag von Florence Nightingale auf diese Weise zu würdigen. Letztere gilt als Pionierin der modernen Krankenpflege. Aber der damalige US-Präsident Eisenhower weigerte sich, einen solchen Tag ausrufen zu lassen. Diese Fußnote der Geschichte kommt bei der Lektüre des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung[1] in Erinnerung: Dort werden zentrale Probleme der Pflege erst einmal in eine Kommission verlagert, und damit in eine ungewisse Zukunft verschoben, wie die Grünen-Politikerin Simone Fischer kritisiert.

Die Kommissionsvariante reiht sich ein in viele bislang folgenlose Absichtserklärungen zum Thema. Das wird zu Recht von verschiedenen Akteuren der Berufsgruppe bemängelt. Der Deutsche Pflegerat fordert zum Beispiel »gesunde Rahmenbedingungen, faire Arbeitsbedingungen, echte Mitbestimmung«. Zu oft würden die professionell Pflegenden das Gegenteil erleben: Überlastung und ein ständiges Balancieren am Limit. Der Pflegerat sieht die Bundesregierung in der Pflicht, den Berufsstand politisch und gesellschaftlich abzusichern.

Mit ähnlicher Intention haben für diesen Montag mehrere Initiativen zu einer Kundgebung vor dem Bundesgesundheitsministerium aufgerufen, ihr Motto »Die Pflege rennt. Die Politik steht still«. Mit dabei ist die Pflegegwerkschaft Bochumerbund, deren Vorsitzende Selina Mooswald vorab einige thematische Schwerpunkt für die nötige Pflegereform benannte: »Wir fordern einen langfristigen Plan, wie mit dem demografischen Wandel umgegangen wird, wie wir international als Arbeitsstelle attraktiv bleiben, wie die Akademisierung und Kompetenzerweiterung der Pflege organisiert werden soll[2].«

Demografischer Wandel bedeutet für die Pflege, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland von aktuell 5,7 Millionen auf 6,8 bis sieben Millionen im Jahr 2050 ansteigen wird. Besonders stark wächst dabei laut Statistischem Bundesamt die Gruppe der über 80-Jährigen. Und bis 2049 werden voraussichtlich 280 000 bis 690 000 Pflegekräfte fehlen.

Am Bundesgesundheitsministerium wird am Montag auch die Diakonie auftauchen: Der konfessionelle Verband bezieht beim Thema Pflege auch die Angehörigen ein und hat gemeinsam mit anderen Organisationen für die Petition »Mach dich stark für Pflege« mehr als 145 000 Unterstützer gefunden. Die Forderung nach einer umfassenden Pflegereform soll am Montag der neuen Ministerin Nina Warken (CDU) überreicht werden.

Das Thema bewegt nicht zuletzt die Gewerkschaft Verdi: Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler sieht mit Sorge, dass auch die ständige Überlastung viele Pflegekräfte aus dem Beruf treibt. Die neue Bundesregierung müsse bedarfsgerechte und verbindliche Vorgaben zur Personalausstattung machen. Mit Misstrauen wird eine bestimmte Formulierung im Koalitionsvertrag aufgenommen: Dort ist die Rede davon, »eine geeignete Personalbemessung im Krankenhaus und in der Pflege« zu etablieren. »Es braucht so viele Pflegepersonen, wie für eine gute Versorgung nötig sind«, so Bühler. Sollte der Plan sein, Anforderungen an die Versorgungsqualität abzusenken, würde sich die Gewerkschaft dagegen entschieden zur Wehr setzen.

In den Krankenhäusern ist die Pflege die größte Beschäftigtengruppe. Ohne sie würde in den Kliniken kaum etwas laufen. Einen sehr genauen und umfassenden Plan zur Stärkung der Pflege lieferte aus diesem Grund die Deutsche Krankenhausgesellschaft in einem neuen Positionspapier. In die Pflicht genommen werden darin die Schulen für eine frühe Nachwuchsgewinnung, aber auch Kommunen und Bund mit dem Anliegen, bezahlbaren Wohnraum für Pflegekräfte in Kliniknähe bereit zu stellen. Auch die Aufwertung der Pflegeberufe und neue Ausbildungswege sowie deren Finanzierung spielen eine Rolle. Unter dem Strich beweisen die verschiedenen Wortmeldungen, dass nicht nur die Probleme der Pflege sehr genau bekannt sind, sondern dass es ebenfalls schon länger konkrete Lösungswege gibt. Die Bundesregierung muss also nur ins Handeln kommen und entsprechende Gesetzesvorschläge auf den Weg bringen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190488.gesundheitspolitik-erneut-versprochen-grosse-pflegereform.html?sstr=Pflege
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188540.kongress-pflege-pflege-im-modus-der-selbsterhaltung.html?sstr=Pflege