nd-aktuell.de / 12.05.2025 / Politik / Seite 1

Sachsen lässt die »Vorhölle« fallen

Finanzierungsstopp für geplante Gedenkstätte im früheren KZ Sachsenburg sorgt für breiten Protest

Hendrik Lasch
Der Finanzierungsstopp für die Gedenkstätte Sachsenburg gefährdet die Sanierung der früheren Kommandantur (rechts im Bild).
Der Finanzierungsstopp für die Gedenkstätte Sachsenburg gefährdet die Sanierung der früheren Kommandantur (rechts im Bild).

Der 8. Mai als Tag der Befreiung wurde in diesem Jahr in Sachsen erstmals als offizieller Gedenktag begangen. Kürzlich hatte der Landtag einer entsprechenden Initiative der Linken zugestimmt. »Was aber ist ein Gedenktag ohne Gedenkorte?«, fragt der NS-Opferverband VVN-BdA in einem offenen Brief. Darin weist er auf akute Gefahren für einen Gedenkort hin, den es noch nicht gibt, der aber nach jahrzehntelangen Bemühungen vor allem von ehrenamtlich Engagierten in greifbare Nähe gerückt zu sein schien: den für das Konzentrationslager Sachsenburg, der eigentlich 2027 eröffnet werden sollte.

Das im Mai 1933 in einer Spinnerei im Tal der Zschopau errichtete Lager war eines von 103 frühen KZ in Sachsen, in denen die Nationalsozialisten politische Gegner und andere missliebige Personen einsperrten, und es war das am längsten in Betrieb befindliche dieser Lager. Bis zum Sommer 1937 wurden hier rund 10 000 Menschen interniert und misshandelt: Kommunisten, Sozialdemokraten, Pfarrer, Zeugen Jehovas. Das Lager gilt als »Vorhölle« für spätere Großlager[1] wie Buchenwald. Im KZ Sachsenburg wurde nicht zuletzt Wachpersonal ausgebildet. Zwei seiner Leiter führten später die KZ Buchenwald, Majdanek und Groß-Rosen.

Eine Gedenkstätte für das Lager, das als »Schule der Gewalt« beschrieben wird, gibt es indes nicht. Nachdem eine in der DDR errichtete Gedenkstätte Anfang der 90er Jahre geschlossen worden war, verschwand der Ort nahe Chemnitz faktisch aus der sächsischen Erinnerungslandschaft. Zwar bemühten sich ehrenamtliche Initiativen um das Gedenken[2]. Sie spürten Zeitzeugen auf, organisierten Veranstaltungen und Jugendprojekte. Doch vom Land gab es keinen Rückhalt. Ein Artikel auf »Spiegel Online« sprach noch 2017 vom »vergessenen KZ«.

Erst in jüngster Zeit kam Bewegung in die Angelegenheit. Die Stadt Frankenberg, in deren Eigentum sich die ehemalige Kommandantur mit einigen erhaltenen Häftlingszellen befindet, schuf eine Personalstelle, das Land stellte Geld bereit und die Aufnahme in die Gedenkstättenstiftung in Aussicht, und 2022 bewilligte der Bund einen Zuschuss[3], der die Hälfte der ursprünglich geplanten Kosten von fünf Millionen Euro decken sollte. Diese haben sich mittlerweile auf sechs Millionen Euro erhöht. Mit 1,5 Millionen Euro, die der Freistaat aus DDR-Parteivermögen erhielt, wurden erste Baumaßnahmen erledigt: das Außengelände hergerichtet, eine historische Inschrift gesichert, eine Installation auf dem Sockel der wegen Baufälligkeit abgerissenen Kommandantenvilla[4] errichtet.

Dabei allerdings will es das Land bewenden lassen. Im Entwurf der Minderheitsregierung aus CDU und SPD für die Jahre 2025/26 wurden die weiteren Mittel für den Ausbau gestrichen. Es ist eine von zahlreichen Sparmaßnahmen, die neben Jugend-, Integrations- und Demokratieprojekten auch die Erinnerungspolitik treffen. Für die Stiftung Sächsische Gedenkstätten (StSG) wurden die Mittel für 2026 auf dem Stand von 2024 eingefroren, was de facto einer Kürzung gleichkommt. Der Sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft »Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« sollen 30 Prozent der Gelder gestrichen werden.

Für Sachsenburg würde die Streichung bedeuten, dass die im zweiten Bauabschnitt geplante Sicherung der Kommandantur und deren Umbau zu Besucherzentrum und Ausstellungsräumen nicht wie geplant begonnen werden könnte. Das Gebäude ist aber stark baufällig. Ohne sofortige Sanierung sei es verloren, erklärt der Verband der Gedenkstätten in Deutschland und warnt vor einer »Investitionsruine«. Die Streichung der Mittel halte man »aus historischen, gesellschaftlichen und finanziellen Gründen für einen großen Fehler«.

Auch andere Institutionen protestieren. Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager, die 19 Gedenkorte in zwölf Bundesländern vertritt, erklärte, die Bedeutung von Sachsenburg als »Tatort zur Zerstörung der Demokratie« sei nicht hoch genug einzuschätzen. Das Internationale Komitee für Buchenwald und Dora sieht in der Streichung der Gelder ein »fatales politisches Signal nach rechts außen«.

»Dieses wichtige Werk muss vollendet werden.«

Luise Neuhaus-Wartenberg Kulturexpertin der Linksfraktion

Die Hoffnung darauf, dass die Mittel für die Gedenkstätte Sachsenburg doch noch bewilligt werden, ruht nun auf dem Landtag. Dieser muss den Haushalt beschließen; die Koalition braucht mindestens zehn Stimmen aus der Opposition. Die Linke hat angekündigt, in den Verhandlungen entsprechende Mittel beantragen zu wollen. Die Gedenkstätte müsse »dauerhaft finanziell abgesichert« werden, sagte die Kulturpolitikerin Luise Neuhaus-Wartenberg: »Dieses wichtige Werk muss vollendet werden.«

Springt das Land tatsächlich ab, wird auch die Stadt Frankenberg einen Strich unter das Vorhaben ziehen. Der örtliche CDU-Vorsitzende Andreas Schramm hat in der »Freien Presse« bereits angekündigt, man würde »das Projekt komplett beenden«. Seine Landespartei kritisierte er scharf. Dass der Freistaat das Geld für Sachsenburg gestrichen habe, sei ein »Schlag ins Gesicht« für alle, die sich für das Projekt eingesetzt und es gegen Widerstände »zum Beispiel von der AfD« verteidigt hätten.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1090594.die-hoelle-im-hintergrund.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1081773.ein-gedenkort-der-im-ehrenamt-errichtet-wird.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153020.ns-gedenkstaette-in-frankenberg-neuer-anlauf-fuer-sachsenburg.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165272.erinnerungspolitik-das-verschwinden-eines-taeterorts.html