Am Sonntag haben sich deutschlandweit Zehntausende Menschen für ein Verbot der Alternative für Deutschland (AfD) eingesetzt. In über 70 Städten fanden Proteste statt, zu denen die Kampagne »Menschenwürde verteidigen – AfD-Verbot Jetzt!« sowie das Netzwerk »Zusammen Gegen Rechts« aufgerufen hatten. Die Demonstrierenden forderten, dass Bundestag, Bundesrat und die neu gebildete Bundesregierung unverzüglich ein Verbotsverfahren gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht einleiten. In Berlin am Brandenburger Tor versammelten sich nach Polizeiangaben rund 4000 Menschen, während die Veranstalter von etwa 7500 Teilnehmern sprachen. In München kamen laut Polizeiberichten etwa 2500 Demonstrierende auf den Königsplatz, die Veranstaltung verlief friedlich. Auch in Leipzig versammelten sich nach Angaben des Aktionsnetzwerks »Leipzig nimmt Platz« etwa 500 Menschen auf dem Augustusplatz.
In Essen zogen 2500 Menschen durch die Innenstadt, in Dortmund nahmen etwa 600 Menschen an einer Demonstration teil. In kleineren Städten wie Strausberg in Brandenburg beteiligten sich etwa 100 Menschen an den Protesten.
Die Demonstrierenden und Organisatoren formulierten deutliche Erwartungen an die politischen Entscheidungsträger. »Die Proteste am heutigen Sonntag sind unüberhörbar. Es gibt keine Ausreden mehr: Das Verbotsverfahren gegen die AfD muss unverzüglich eingeleitet werden. Auch der Verfassungsschutz hat die AfD mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestuft«, erklärte Julia Dück, Pressesprecherin der Kampagne »Menschenwürde verteidigen – AfD-Verbot Jetzt!«.
Die Aktiven, die für ein Verbot auf die Straße gingen, sehen in der AfD eine konkrete Gefahr für die demokratische Grundordnung. Hannah Hübecker, Klima- und Inklusionsaktivistin, betonte auf der Kundgebung in Essen: »Ein AfD-Verbotsverfahren ist kein politischer Luxus. Es ist die Verteidigung unserer Demokratie – und ein Schutz der Menschen, die diese Partei immer wieder zur Zielscheibe macht.«
Ausschlaggebend für den bundesweiten Aktionstag war die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz Anfang Mai, die AfD als »gesichert rechtsextremistische Bestrebung« einzustufen. Diese Einschätzung hat die öffentliche Debatte um ein mögliches Parteiverbot neu entfacht.
Kim Schmidt von der Autonomen Antifa 170 aus Dortmund ordnete die Entscheidung des Verfassungsschutzes ein: »Natürlich begrüßen wir es, dass der Verfassungsschutz nun erkannt hat, was Antifaschist*innen seit vielen Jahren sagen: Die AfD ist eine ernste Gefahr für das Zusammenleben in diesem Land. Diese Einschätzung kommt um kurz nach zwölf. Die AfD greift bereits nach der Macht und wird dabei vom Staat mit Parteienfinanzierung und Abgeordentendiäten großzügig unterstützt. Das muss nun endlich enden!« Schmidt endet mit einem klaren Appell: »Wir haben heute ein Zeichen gegen Menschenfeindlichkeit gesetzt. Der Ball liegt nun im Feld der Bundespolitik. Wir werden aufmerksam beobachten, ob sie ihrer Verantwortung gerecht wird.«
»Natürlich begrüßen wir es, dass der Verfassungsschutz nun erkannt hat, was Antifaschist:innen seit vielen Jahren sagen: Die AfD ist eine ernste Gefahr für das Zusammenleben in diesem Land.«
Kim Schmidt Autonome Antifa 170
Dass ein Parteiverbot in Deutschland hohe Hürden hat, ist den Organisatoren bewusst. Nach Artikel 21 des Grundgesetzes können Parteien nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden, wenn deren Ziele oder das Verhalten ihrer Anhänger erwarten lassen, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigt oder beseitigt werden soll. Ein Verbot kann nur durch das Bundesverfassungsgericht auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung erfolgen.
Während die Demonstrierenden klare Forderungen stellen, bleibt die Diskussion in der Politik kontrovers. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann drängte am Wochenende auf ein Verbotsverfahren und kritisierte die zögerliche Haltung insbesondere von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Aus der Union kamen sowohl ablehnende als auch vorsichtig zustimmende Stimmen. Die nordrhein-westfälische SPD hat sich bei einem Parteitag am Wochenende geschlossen für ein Verbot ausgesprochen.
Neben Protest auf der Straße und der Positionierung von Politiker*innen ist der Umgang mit der AfD auch Thema zahlreicher Unterschriftensammlungen, E-Mail-Aktionen und Online-Petitionen. Die Kampagnenorganisation Campact sammelt Unterschriften für einen Appell mit dem Titel »AfD-Verbot jetzt prüfen«. Dieser richtet sich direkt an Bundeskanzler Friedrich Merz, Vizekanzler Lars Klingbeil und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Die Petition argumentiert, dass mit dem über 1000 Seiten starken Gutachten des Verfassungsschutzes[1], das zur Einstufung der AfD als »gesichert rechtsextremistisch« geführt hat, sich die Lage grundlegend geändert habe.
Die Unterzeichnenden fordern die Bundesregierung auf, »umgehend einen Antrag auf ein Verbot der AfD auszuarbeiten und ihn auf Erfolgsaussichten zu prüfen«. Sie warnen davor, dass ein Verzicht darauf ein gefährliches Signal senden würde: »Die AfD darf offen gegen die Verfassung agieren – ohne Konsequenzen«. Bis zum Montag hatten mehr als 350 000 Menschen die Petition unterzeichnet.