Zypern hat erstmals eine neue Kooperation umgesetzt, in der auf See abgefangene Menschen direkt nach Syrien gebracht werden. Darüber berichtet[1] die zyprische Tageszeitung »Phileleftheros«. Demnach wurden am vergangenen Wochenende zwei Boote mit insgesamt 62 syrischen Staatsangehörigen zurückgewiesen, bevor sie zyprische Hoheitsgewässer erreichten. Offen bleibt jedoch, ob die Menschen auch in Syrien gestartet waren oder – wie es häufig geschieht[2] – vom Libanon aus nach Zypern gelangen wollten.
Die zyprische Küstenwache entdeckte laut dem Bericht am Freitag ein erstes Boot mit 34 Personen auf dem Weg in den EU-Staat, gefolgt von einem zweiten Boot mit 28 Menschen am Samstag. Statt die Insassen in Zypern von Bord gehen zu lassen, wurden sie offenbar zum syrischen Hafen Tartus zurückgebracht. Dies wäre die erste Anwendung eines kürzlich etablierten Kooperationskanals zwischen beiden Ländern. Über den Vorfall hat auch die NGO Alarm Phone berichtet[3].
Bei den Zurückschiebungen handelt es sich um sogenannte Pushbacks. Dabei werden Asylsuchende gegen ihren Willen in das Land zurückgeschickt, aus dem sie geflohen sind oder in dem sie keinen Zugang zu internationalem Schutz oder Asylverfahren haben. Im internationalen Recht sind diese Aktionen als »Refoulement« verboten. Nach Angaben zyprischer Behörden sicherte Syrien jedoch zu, dass die zurückgewiesenen Betroffenen human behandelt werden.
Auch für Syrien gilt das Prinzip des Non-Refoulment. So jedenfalls sieht es die Direktorin der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Amy Pope, die vergangenes Jahr bestätigte, dass einige religiöse Minderheiten aus Furcht vor »potenziellen Bedrohungen« das Land verlassen. Sie empfahl auch, Massenrückführungen aus europäischen Staaten nach Syrien zu stoppen, bis sich die Lage im Land stabilisiert hat.
Bereits im März kam es laut Alarm Phone[4] zu einem ähnlichen Vorfall: Zwei Boote mit insgesamt rund 86 syrischen Geflüchteten wurden demnach in zyprischen Hoheitsgewässern von der zyprischen Küstenwache abgefangen – obwohl die Insassen erklärten, vor religiöser Verfolgung aus Syrien geflohen zu sein, und Asyl beantragten. Nach stundenlangem Festhalten auf See erhielten sie Wasser, Schwimmwesten und Treibstoff, bevor sie in Richtung libanesischer und syrischer Gewässer zurückgeschleppt und dort sich selbst überlassen wurden. Die Geflüchteten berichteten später, sie hätten aus Angst vor einer Übergabe an die sogenannte New Syrian Coast Guard sogar Hilfsangebote der libanesischen Küstenwache abgelehnt. Eine Rückführung nach Syrien komme für viele von ihnen einem Todesurteil gleich.
Das nun offenbar geschlossene zypriotisch-syrische Abkommen fällt in eine Zeit, in der die neue Regierung in Damaskus unter Präsident Ahmed al-Saraa internationale Anerkennung sucht und auf die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen hofft. Es kommt für die Staaten zur richtigen Saison: Weil die Wetterbedingungen derzeit günstiger werden, wird im östlichen Mittelmeer mit verstärkten Migrationsbewegungen gerechnet.
Offenbar funktioniert die syrische Migrationsabwehr zugunsten der EU auch ohne konkrete Beteiligung von Behörden aus Zypern: Ende April hat die syrische Küstenwache laut dem Sender Sky News Arabia ein Boot mit mehr als 30 Zivilpersonen aufgebracht, die in Richtung europäischer Gewässer unterwegs waren. Laut Quellen von »Phileleftheros« zahlen Personen für eine solche Bootspassage zwischen 3500 und 6000 Euro.