nd-aktuell.de / 13.05.2025 / Sport / Seite 1

Der letzte »Normale«: Wie Mads Pedersen den Giro d’Italia prägt

Der Däne dominiert mit seinen Etappensiegen und im Rosa Trikot den Auftakt der Italien-Rundfahrt

Tom Mustroph
Jubel in Rosa: Mads Pedersen sprintet beim Giro allen davon.
Jubel in Rosa: Mads Pedersen sprintet beim Giro allen davon.

Was hat man über Mads Pedersen nicht schon alles gesagt. Er sei mit 1,80 Meter zu groß für den Radsport[1], mit 70 Kilogramm zu schwer für die Berge – und er habe zu jung schon Großes gewonnen. Ja, nach seinem Überraschungssieg im Alter von 23 Jahren beim verregneten WM-Rennen 2019 in Harrogate, als sein junger Körper all die Entbehrungen des Tages noch am besten verkraftet und er im Sprint den erfahreneren und endschnellen Matteo Trentin niedergerungen hatte, gelang ihm eine Weile nicht mehr viel.

Endschnell und ausdauernd

Pedersen galt als Komet, der einmal aufscheint – und dann verglüht. Wissen muss man jedoch, dass es in seiner Generation mit Mathieu van der Poel[2] und Wout van Aert[3] zwei Fahrer mit einem ähnlichen Mix an Qualitäten gibt: endschnell, aber kein Sprintspezialist, ausdauernd, aber kein Bergfloh. Und beide sind einfach besser. Weil auch Superstar Tadej Pogačar[4] die Klassiker fährt, blieben Pedersen die ganz großen Erfolge bei den Monumenten des Radsports verwehrt. So musste sich der Däne mit zweiten bis vierten Plätzen bei der Flandern-Rundfahrt[5] und Paris–Roubaix jeweils hinter dem Niederländer oder dem Slowenen, manchmal hinter beiden zufriedengeben. Und auch der Belgier van Aert kam zuweilen noch vor ihm ins Ziel.

Jetzt, beim Giro d’Italia[6], hat Pedersen nicht nur van Aert im Griff. Bei seinen beiden Etappensiegen zum Auftakt in Albanien machte sein Team Lidl Trek an den Bergen vor dem Ziel das Rennen so schnell, dass sowohl der Belgier als auch die Sprintspezialisten an ihre Grenzen gebracht wurden.

Tempomacher

»Mads ist in diesem Jahr in den Bergen so gut, dass du ihn gar nicht kaputtfahren kannst und er immer mit den besten 30 Mann über die Gipfel kommt«, lobt ihn sein Teamkollege Patrick Konrad, als »nd« den österreichischen Kletterer aufs Tempomachen für den Kapitän anspricht.

Auch Pedersen selbst schätzt sich in dieser Saison als die »beste Version meiner selbst« ein. Gründe dafür gibt es einige. So ist er professioneller geworden: Seit 2024 arbeitet er mit einem Ernährungsberater zusammen – und hört auch auf ihn. »Ich bin nicht der Typ, der sich in ganz viele Details verliebt. Ich kümmere mich nicht um meine Kohlenhydrataufnahme. Ich schraube auch nicht wie wild an meinem Rad herum. Aber ich vertraue den Experten um mich herum und halte sie für die jeweils besten der Welt«, beschreibt er seine Haltung. Der in diesem Sport aus der Mode gekommene Ansatz, sich nicht um Nebensächliches zu kümmern, sondern einfach nur Rad zu fahren, führt in Verbindung mit dem Prinzip, Dinge zu delegieren, zu neuen Erfolgen bei Pedersen.

Trikotsammler

Im vergangenen Jahr feierte der Däne bei kleineren Rundfahrten wie der Deutschland-Tour und der Tour de Provence Gesamtsiege. Und er gewann den Sprinterklassiker Gent–Wevelgem. Diesen Erfolg wiederholte er in diesem Jahr ebenso wie den Sieg in der Provence; bei der Flandern-Rundfahrt und Paris–Roubaix landete er zudem auf dem Podium. Zum Auftakt des Giro konnte sich der mittlerweile 29-Jährige nun erstmals das Führungstrikot einer Grand Tour überstreifen. »Ich habe es zur Tradition gemacht, die Trikots, mit denen ich Rennen gewann, nicht zu waschen, sondern nur zu glätten und zu Hause aufzuhängen«, verriet er einmal. Jetzt könnten noch einige dazukommen. »Nach dem Ruhetag kommen ein paar Tage, die Mads liegen. Da sollte er Rosa verteidigen«, meinte sein Teamkollege Konrad gegenüber »nd«.

Pedersens Topform in diesem Frühjahr geht auch auf neue Trainingsansätze zurück. Höhentrainingslager gehören noch immer nicht in sein Programm. »Ich hasse es, wochenlang fernab der Familie auf irgendwelchen kahlen Bergen zu sein«, betonte er seine bisherige Abneigung, die ebenfalls in die Kategorie Old School fällt. Aber er probierte den neuesten Schrei der Trainingslehre aus: Hitzetraining in geschlossenen Räumen. »Das ist auch scheußlich. Lieber würde ich sieben Tage die Woche sieben Stunden draußen trainieren. Aber Hitzetraining hilft nicht nur bei der Anpassung an heiße Wettkampftage. Es erhöht auch dein Blutvolumen und damit deine Leistungsfähigkeit«, erklärte er.

Fehler und Lohn

Hitzetraining ist die häusliche Alternative zum Höhentraining, mit ähnlichen Wirkungen auf die Blutparameter. Und bei einem, der sich bislang der Höhe verweigerte, sind die Effekte offenbar groß. Der Mads Pedersen des Jahres 2025 entspricht gerade den Erwartungen, die man nach dem Sensationssieg bei der WM 2019 hegte. Das spricht für manche Fehler in der Vergangenheit, aber auch dafür, dass Beharrlichkeit sich lohnen kann.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184556.tour-de-france-der-radsport-der-frauen-leidet-unter-wachstumsschmerzen.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153934.tour-de-france-fuer-papy-und-sich-selbst.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165200.tour-de-france-wout-der-vielfaeltige.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186588.radsport-tadej-pogačar-sprengt-die-grenzen-des-sports.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190332.radsport-geschlechtergerechtigkeit-equal-pain-day-bei-flandernrundfahrt.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191097.radsport-von-skanderbeg-zum-vatikan-der-giro-dritalia-startet.html