Eine von der Grünen Jugend gestartete Petition forderte Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) auf, seine Innenministerin Katrin Lange (SPD) zu entlassen. 1727 Unterschriften kamen innerhalb einer Woche zusammen. Am Freitag um 17.30 Uhr verkündete Lange ihren Rücktritt[1], zeigte aber wenig Einsicht. Sie inszenierte sich als Opfer einer ihrer Ansicht nach niederträchtigen Kampagne von Grünen, Linken und auch einigen Sozialdemokraten, die mit ihr nicht mehr einverstanden waren.
Langes Rücktritt sei längst überfällig gewesen, reagierte Landelin Winter von der Grünen Jugend. »Sie war nach der politisch motivierten Entlassung von Verfassungsschutzchef Jörg Müller[2] nicht mehr tragbar.«
Die Innenministerin hatte Müller am 6. Mai abgesägt, weil er sie erst kurz zuvor darüber informiert haben soll, dass der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband bereits am 14. April von einem Verdachtsfall zur Kategorie »gesichert rechtsextremistisch« hochstufte. Es wurden aber Zweifel laut, ob Lange nicht schon deutlich früher Bescheid wusste und ihr die Einstufung einfach nicht passte. Denn sie wünscht sich statt eines möglichen AfD-Verbots eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Partei, um Wähler zurückzugewinnen. Lange, bis dahin offenbar in Unkenntnis darüber, dass der Landesverfassungsschutz unabhängig über Hochstufungen entscheiden konnte, änderte nach der Entlassung Müllers die entsprechende Dienstanweisung. Sie wollte darüber das letzte Wort haben.
»Innenministerin Lange hatte sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen mit der Personalentscheidung politisch verrannt und konnte Zweifel an ihrer Darstellung des Hergangs nicht glaubhaft widerlegen, dies konnte deshalb kein gutes Ende nehmen«, sagte nun der Ex-Landtagsabgeordnete Matthias Stefke (Freie Wähler). Seiner Ansicht nach wäre der nächste Innenminister gut beraten, Jörg Müller wieder als Verfassungsschutzchef einzusetzen.
Ganz ähnlich äußerte sich der Linke-Landesvorsitzende Sebastian Walter. »Nur so kann weiterer Schaden abgewendet werden«, meinte er. Auch der Grünen-Landesvorsitzende Clemens Rostock verlangte, Jörg Müller zurückzuholen. »Er steht für eine glaubwürdige und konsequente Beobachtung verfassungsfeindlicher Kräfte – insbesondere der AfD«, sagte Rostock.
Brandenburgs CDU-Vorsitzender Jan Redmann hielt den Rücktritt nach den Entwicklungen der letzten Tage für »unabwendbar« und erklärte: »Jetzt muss es darum gehen, dass die Unabhängigkeit der Verfassungsschutzes schnellstmöglich wiederhergestellt wird.«
Wenn man ihren Worten Glauben schenkt, bedauern Ministerpräsident Woidke und SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann den Rücktritt der Innenministerin. Lüttmann äußerte die Hoffnung, dass sich Landesregierung und Landtagsfraktion nun wieder auf wichtige Aufgaben wie die Verabschiedung des Doppelhaushalts 2025/26 konzentrieren können. Da Finanzierungslücken gestopft werden mussten, sind unpopuläre Sparmaßnahmen geplant. Die Koalition aus SPD und BSW muss jedoch damit rechnen, dass der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf[3] dem Haushalt seine Stimme verweigert. Dann bleibt nur eine knappe Mehrheit von einer Stimme. Niemand darf mehr ausscheren. Auch nicht Ex-Innenministerin Lange, die Landtagsabgeordnete bleiben will und ankündigte, als solche konstruktiv und kritisch weitermachen zu wollen. In dieser schwierigen Situation wollte die SPD den Streit um Lange vom Tisch haben.
Augenscheinlich mehr als die eigene SPD bedauert die Wagenknecht-Partei BSW den Amtsverzicht von Katrin Lange. »Wir hatten stets eine konstruktive und respektvolle Zusammenarbeit im Interesse Brandenburgs. Diese hätten wir gerne fortgesetzt«, erklärte BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders voller Hochachtung vor der 53-Jährigen. Lüders teilt die Einschätzung von Lange, dass die AfD politisch gestellt werden müsse. Die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch zog der BSW-Fraktionschef in Zweifel und verlangte genauere Informationen. Besonderes Lob vom BSW gab es in der Vergangenheit wiederholt für die strenge Asylpolitik von Lange. Auch dass die Politikerin das Einfuhrverbot für russisches Erdöl als nur schädlich für die eigene Wirtschaft bezeichnete, deckt sich mit den Positionen des BSW.
»Mit Katrin Lange verliert das Kabinett Woidke eine der letzten Stimmen der Vernunft.«
René Springer AfD-Landesvorsitzender
Die Innenministerin hatte mit zweifelhaften Ansagen zu Messerattacken und falschen Zahlen zur Ausländerkriminalität für Schlagzeilen gesorgt. »Mit Katrin Lange verliert das Kabinett Woidke eine der letzten Stimmen der Vernunft«, bemerkte nicht von ungefähr jetzt der AfD-Landesvorsitzende René Springer. Lange sei abgesetzt worden, weil sie als eine der wenigen in der SPD die Auseinandersetzung mit der AfD nicht mit polizeistaatlichen Mitteln habe suchen wollen.
Wer neuer Innenminister wird, ist noch unbekannt. Derweil heißt es, den Posten des kürzlich abgesetzten Regierungssprechers Florian Engels solle die Polizistin Ines Filohn übernehmen. Sie leitet die in Cottbus angesiedelte Pressestelle der Polizeidirektion Süd.