Best-of Schulerinnerung zum Kindertag: Das nd-Feuilleton blickt zurück
nd-Feuilleton
Auch so eine Idee aus dem verdammten Sportunterricht: Bitte mal zu Madonna vortanzen!
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Niko Daniel (eingeschult 1991)
Schlechtestes Fach: Bei einem Abischnitt von 3,4 schwer zu sagen. Alles?
Dümmste Lehrmethode: Gedichte aufsagen
Bester Lehrer*innen-Tipp für einen selbst (was am meisten geholfen hat): Die Lehrerin in Politische Weltkunde hatte mal den Tipp, für Klausuren lieber einen Kugelschreiber statt eines Füllers zu benutzen, damit würde man schneller schreiben können.
Merkwürdigste Mitschüler*innen-Angewohnheit: Feilschen um bessere Zensuren. Das waren dann auch die, die später FDP gewählt haben.
Besonders unangenehm: Zusehen zu müssen, wie eine Freundin gemobbt wird, und zusammen keinen Mut zu haben, es irgendwem zu sagen.
Lieblingssport im Sport: Beim Waldlauf abbiegen, eine rauchen, Abkürzung durchs Gebüsch nehmen und unauffällig wieder auf die Strecke zurückschmuggeln.
Populärste Droge: Nach fünf Packungen Mentos in einer Englischstunde war »To Kill A Mockingbird« gar nicht mehr so langweilig.
Peinlichstes Erlebnis: Im Sportunterricht vortanzen auf Zensur zu »Like a Prayer« von Madonna.
Wichtigste Schullektüre: »Jugend ohne Gott« von Ödön von Horváth. Der Deutschlehrer hat zu dem Buch in einer Klausur gefragt, ob der Mensch von Natur aus gut oder böse sei. Die Frage hat mich mit 14 komplett aus den Socken gehauen und überfordert. Genau deshalb aber war ich on fire für das Fach. Leider kam danach eine neue Lehrerin und mit ihr so aufregende Lektüre wie »Effi Briest«. Das Interesse war dann schnell wieder dahin.
Bester Spruch: Vorrechnen an der Tafel in der 11. Klasse: »Meine Güte, bei wem haben Sie denn letztes Jahr Mathe gehabt?« – »Na, bei Ihnen.«
Christof Meueler (eingeschult 1974)
Schlechtestes Fach: Mathe.
Dümmste Lehrmethode: Erdkunde als Dauerdiktat. Die Lehrerin saß am Tisch und las ihren Unterricht komplett vor, aus uralten Heften. Musste man mitschreiben und dann auswendig lernen, weil sie zu Beginn jeder neuen Stunde jemanden abfragte, um die »mündliche Mitarbeit« zu ermitteln.
Bester Lehrer*innen-Tipp für einen selbst: Gliederung von Deutschaufsätzen mit Abschnitten und Zwischenüberschriften, um sie klarer zu machen (Deutschlehrer war Ex-KBW-Mitglied).
Merkwürdigste Mitschüler*innen-Angewohnheit: a) Einser-Schüler klagen, sie hätten versagt und bekommen dann eine Eins. b) Plötzlich greift dir von hinten jemand mit beiden Händen ins Becken und du springst mitten im Unterricht auf wie eine Rakete.
Besonders unangenehm: Im Winter gelangweilt die Heizrippen betasten, um zu prüfen, wie heiß sie sind, und dann klebt ein weich gewordener Kaugummi eklig an der Hand.
Lieblingssport im Sport: Sitzfußball.
Peinlichstes Erlebnis: In der 7. Klasse fragte ich meinen linken Vater, was »liberal« heißt. Er meinte: »Das bedeutet weder gut noch schlecht«. Dann sollte ich in einem Deutschaufsatz ein ausgestopftes Eichhörnchen, das vorne auf einem Tisch stand, beschreiben: »Meine Meinung zu diesem Tier ist liberal.« Ergebnis: Ausdruck! Note 4. Vom Lehrer vorgelesen.
Populärste Droge: Unterstufe: Colafläschchen. Oberstufe: Zigaretten, Bier und »Spex«.
Wichtigste Schullektüre: Ulrich Plenzdorf: »Die neuen Leiden des jungen W.« (Deutsch), Alan Sillitoe: »The Loneliness of the Long-Distance Runner« (Englisch), Lenin: »Staat und Revolution« (Gemeinschaftskunde).
Bester Spruch: »Red Action« (mit blauem Edding an die weiße Wand von einer Freundin geschrieben), »Herr, mach ein Ende!« (mit schwarzem Edding auf einem Tisch von einem Freund notiert, jede Woche neu).
Klaus Ungerer (eingeschult 1975)
Schlechtestes Fach: Ich glaube, Physik. Physik funktioniert auch ohne mich, warum soll ich das lernen?
Merkwürdigste Mitschüler*innen-Angewohnheit: Christoph war Wagnerianer. Im Keller hatte er eine ganze Oper aus Lego gebaut. Abends sah man seine Silhouette in seinem Fenster der Wohnblocksiedlung, er dirigierte Opern. Wir mochten ihn, haben seinen Fimmel aber nie ernst genommen. Mittlerweile ist er auf Wikipedia, als Mozart-Tenor hat er in New York, Mailand und sonstwo gesungen.
Lieblingssport im Sport: Fußball natürlich. Ich habe Fußball immer geliebt, war aber selber nur so mittelgut. Ich versteckte mich meist im Mittelfeld, wo man nicht so viel kaputtmachen konnte. Einmal ließ Herr Branke uns eine Stunde alleine kicken, zwei Mannschaften, großes Feld; wohin er ging, weiß ich nicht, Sportlehrer hatten so ihre geheimnisvollen Wege. In der Zeit seiner Abwesenheit schlug meine größte Stunde: 6:3 gewannen wir, und ich schoss fünf Tore! Herr Branke weiß bis heute nichts davon.
Populärste Droge: Klatschbrötchen vom Bäcker gegenüber: Das waren aufgeschnittene Schrippen mit einem plattgequetschten Schokokuss drin. Es gab auch so seltsame wabbelige Riesenbrötchen namens »Pummel«, da passte noch ein Kuss rein, und man bestellte nur knapp: »Einen Pummel mit zwei!«
Wichtigste Schullektüre: Bei uns gab es einen Mathelehrer, der noch an der Ernst Busch Rezitator gelernt hatte, Herr Linke, ganz wunderbarer Kerl, weiße Haare, Glasauge. Ich hatte ihn nie als Lehrer, aber manchmal kam er zu Vertretungsstunden. Wir hatten dann Deutsch oder Mathe, oder ganz egal. Das sah dann so aus, dass Herr Linke aus dem Stand eine 45-Minuten-Show Tucholsky machte. Ich habe nie wieder, nirgends, auch nicht ansatzweise, so einen guten Tucholsky-Vortrag erlebt.
Bester Spruch: Wir haben Geschichtsbücher verbessert. Mit der Klinge aus dem Anspitzer konnte man Buchstaben aus dem Buch schaben und die Leerstellen dann nach freiem Ermessen ausfüllen. In einer Bildunterschrift zu mittelalterlichen Turnieren stand das schwer verdauliche Zitat: »Es erhob sich manch stattlicher Puneis.« Und wir wussten nicht, was »Puneis« nun sein sollte, angeblich ein mittelhochdeutsches Wort für den Ritterkampf. Wir verbesserten also, für nachfolgende Generationen, mikroinvasiv: »Es erhob sich manch stattlicher … .« Nu ja. Sie kommen sicher selbst drauf. Wir waren ja noch jung.
Karlen Vesper (eingeschult 1965)
Schlechtestes Fach: Mathe, stetige Herausforderung. Haften geblieben ist mir nur die Zahl Pi, sehr sympathisch, weil unendlich und von Archimedes entdeckt. Der von einem besoffenen römischen Söldner erstochen wurde, bevor er eruieren konnte, ob es sich bei Pi um eine rationale oder irrationale Zahl handelt. Solch Schandtat ist irrational! Der große Gelehrte von Syrakus hatte lediglich die Bitte geäußert: »Noli turbare circulos meos!« (Störe meine Kreise nicht!)
Dümmste Lehrmethode: Mit einem Schlüsselbund nach unaufmerksamen Schülern werfen, praktiziert von einem Astrononomielehrer, der alsbald ausgetauscht wurde.
Bester Lehrer*innen-Tipp für einen selbst: Mein Physiklehrer bedauerte zutiefst, dass er mir auf eine Klassenarbeit nur eine Fünf geben konnte. Sein Gram rührte mich derart, dass ich mich in dem Fach fürderhin anstrengte.
Merkwürdigste Mitschüler*innen-Angewohnheit: Sich von mir zum Schwatzen im Unterricht verleiten zu lassen. Meine Strafversetzung von Bankreihe zu Bankreihe behob das Problem nicht. Ich kriegte sie alle.
Lieblingssport im Sport: Duellschießen bei der GST
Populärste Droge: Englisch Drops. Gelutscht, bis der Gaumen schmerzte.
Peinlichstes Erlebnis: Die Verweigerung meines Hundes Tschuk, bei einem Pioniergeburtstag vorher mühselig einstudierte Akrobatikübungen zu präsentieren, während Gek, der Hund meines Bruders, Applaus erntete. Ich erlitt ein Trauma. Drei Tage lang.
Wichtigste Schullektüre: »Krieg und Frieden« von Tolstoi, »Es blinkt ein einsam Segel« von Katajew und andere Klassiker russischer/sowjetischer Literatur – heimlich unter der Bank gelesen, vornehmlich während des Geschichtsunterrichts, weil ich schon in der ersten Schulwoche das Lehrbuch auswendig kannte. Meine illegale Lektüre wurde zwar bemerkt, aber meistens toleriert.
Besonders unangenehm: Jäh aus dem »Weg ins Leben« (Makarenko) gerissen werden durch eine unverhofft an mich gerichtete Frage des Staatsbürgerkunde-Lehrers. Auf die falsche Antwort, dummerweise eine Floskel aus dem Westfernsehen, folgte die Belehrung: »Sprache ist immer auch Klassensprache.«
Erik Zielke (eingeschult 1996)
Schlechtestes Fach: Sport.
Dümmste Lehrmethode: Wiederholte Abschriften von Sachtexten auf der Tafel wirkten eher wie die Parodie einer »Lehrmethode«. Trotzdem im Lehrerkollegium allseits beliebt.
Bester Lehrer*innen-Tipp für einen selbst: »Wenn du die Antwort nicht weißt, schließ die Augen und geh’ in dich.« Seitdem verharre ich tief in mir. Schön ist es hier.
Merkwürdigste Mitschüler*innen-Angewohnheit: Das obligatorische leichte Aufstöhnen, das ein wenig an die urmenschlichen Geräusche beim Tennisaufschlag erinnert und das stets zum besonders engagierten Melden hinzukam, wenn alles am Schüler signalisierte: Ich will unbedingt etwas sagen. Dieses übersteigerte Sendungsbewusstsein hat sich bei vielen Mitmenschen erhalten, äußert sich nur anders, häufig auch in den so bezeichneten sozialen Medien.
Besonders unangenehm: Nahezu alles. Die erzwungenen Gruppensituationen; der autoritäre Geist; das Strafsystem; die Bestimmung von Lernen als Pflicht, niemals als Lust; das Desinteresse am Schüler als Person; die Brutalität Heranwachsender untereinander; der Zynismus, »Wissen« bewerten zu wollen.
Lieblingssport im Sport: Frei nach Adorno: Es gibt keine richtige Sportart im falschen Erziehungssystem.
Populärste Droge: In meine Schulzeit fiel die Anhebung des Freigabealters für Tabakwaren von 16 auf 18 Jahre sowie die neue Gesetzgebung, die das Aus für den Raucherhof, den gefragtesten Ort innerhalb des Schulhofes, bedeutete. Zigaretten waren das bestimmende Thema. Dem falsch verstandenen Liberalismus meiner Schultage – jeder, welchen Alters auch immer, soll sich, wo es ihm beliebt, eine anstecken – sowie dem Rauchen habe ich glücklicherweise schon seit ein paar Jahren abgeschworen.
Peinlichstes Erlebnis: Immer wieder aufs Neue: Der erzwungene Weg vor die Klasse, um ein Lied zu singen, ein Gedicht aufzusagen, eine Rechnung zu lösen, einen Vortrag zu halten und dabei dem Blick sämtlicher Mitschüler sowie der Wertung des Lehrers ausgesetzt zu sein, nicht selten mit dem Nebeneffekt (oder dem Ziel?) der öffentlichen Demütigung.
Wichtigste Schullektüre: Viele – von meiner ersten Begegnung mit Peter Hacks in der Grundschule (»Der Herbst steht auf der Leiter«) über die sophokleische »Antigone« bis zum Brecht’schen »Galilei« auf dem Gymnasium, bei denen der kunsttötende pädagogische Überschwang der Lehrer den Reiz der Literatur nicht auslöschen konnte.
Bester Spruch: »Kotz und Schleim für Schule und Heim!«