nd-aktuell.de / 04.06.2025 / Politik

Ukraine: »Es geht gerade nicht um Frieden«

Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sind noch weit von einem Durchbruch entfernt

Daniel Säwert
Ein Kriegsende in der Ukraine ist trotz Gesprächen weiter nicht in Sicht.
Ein Kriegsende in der Ukraine ist trotz Gesprächen weiter nicht in Sicht.

Schon die Gesichter der Delegationen ließen erahnen, dass man sich bei der zweiten Verhandlungsrunde nicht näherkommen wird[1]. Während die türkischen Gastgeber noch zuversichtlich am Montag in Istanbul erklärten, worüber Russland und die Ukraine reden wollten, saßen die Vertreter beider Seiten mit maximal ernster Miene an ihren Tischen.

Am Ende tauschten Russland und die Ukraine ihre Memoranden mit den Forderungen für ein Kriegsende aus, klärten einige humanitäre Punkte und gingen nach nur einer Stunde wieder auseinander. Niemand hat einen Durchbruch erwartet und der kam auch nicht.

Für Moskau ist der Stillstand kein Problem

Wenn es überhaupt einen Fortschritt gab am Montag in Istanbul, dann dass niemand von einem Scheitern der Verhandlungen sprach, bemerkten Beobachter im Anschluss an die Verhandlung. Sowohl Moskau als auch Kiew sprachen davon, den Prozess an sich unterstützen und weitere Treffen planen zu wollen. Beide Seiten versuchen, ihr diplomatisches Gesicht zu wahren.

Zumindest in Moskau scheint man nicht allzu besorgt zu sein über die relative Ergebnislosigkeit der bisherigen Verhandlungen über ein Ende des seit über drei Jahren dauernden Krieges in der Ukraine. Das Außenministerium sehe kein Problem darin, dass von jeder Gesprächsrunde ein Waffenstillstand erwartet wird, aber nicht mal eine kurzfristige Feuerpause herausspringt, schreibt das Onlinemedium Wjorstka unter Berufung auf russische Diplomatenkreise.

Gespräche werden für die Gunst der USA geführt

»In diesem Stadium geht es bei den Gesprächen nicht darum, einen Frieden zu erreichen. Der Verhandlungsprozess hat begonnen, weil uns die amerikanischen Partner dazu eingeladen haben. Sie meinen, dass Krieg herrscht, weil wir nicht reden«, zitiert Wjorstka eine Person aus dem Umfeld des russischen Außenministeriums.

Im Klartext bedeutet das, beide Seiten setzen sich zähneknirschend zusammen und führen ein »diplomatisches Theater« auf, wie es der Politikwissenschaftler Alexander Baunow bezeichnet, um vor allem bei den USA nicht in Ungnade zu fallen und deren Präsidenten Donald Trump bei Laune zu halten. Der hatte zuletzt sowohl den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als auch Kreml-Chef Wladimir Putin verbal angegriffen und beide zu Zugeständnissen aufgefordert.

Konstruktive Vorschläge Fehlanzeige

Dazu ist aber weder Moskau noch Kiew bereit. Die jeweiligen Memoranden, die am Montag übergeben wurden, sind unveränderte Abschriften früherer Forderungskataloge. Konstruktiv sollen sie nicht sein. Der demonstrativ in einfacher Sprache gehaltene russische Text diene bestenfalls als Spickzettel für Delegationsleiter Wladimir Medinskij. Die enthaltenen Forderungen seien bereits allseits bekannt. Von Verhandlungen, die diesen Namen auch verdienen, sei man weit entfernt, verriet eine Quelle aus dem Umfeld der russischen Präsidialverwaltung Wjorstka.

»Russland ist nicht mit dem Memorandum Kiews einverstanden, Kiew bezeichnet Moskaus Variante als nicht hinnehmbar. Europa stimmt Kiew zu, Trump sagt, weil er nicht einbezogen wurde. Die Verhandlungen aber bricht niemand ab. Wir werden reden und kämpfen«, beschreibt die Quelle den aktuellen Zustand der Gespräche.

»Damit es etwas zu besprechen gibt, werden die Fragen gelöst, die man lösen kann und die im Verlauf der vergangenen Jahre gelöst wurden. Das ist der Austausch von Gefangenen und Gefallenen. Darüber kann man mit Kiew zusammenarbeiten«, ergänzt der Gesprächspartner aus dem Dunstkreis des Außenministeriums.

Nicht genügend Druck für eine Verhandlungslösung

Tatsächlich sind der Austausch von 2500 Kriegsgefangenen und die Rückgabe entführter Kinder neben dem Getreideabkommen von 2022[2] das einzige, worauf Moskau und Kiew sich in den vergangenen drei Jahren verständigen konnten. Zumeist jedoch inoffiziell. Hinter den Kulissen laufen bereits länger parallele Gespräche, die unter anderem auch die relative Sicherheit der Atomkraftwerke in der Ukraine, aber auch in Kursk gewährleisten. Bei den Treffen in neutralen Ländern wie Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder eben der Türkei soll laut ukrainischen Medien, die sich auf europäische Diplomaten berufen, bereits über eine Nachkriegsordnung gesprochen werden.

Der Politikwissenschaftler Michail Winogradow meint, ein echtes Abkommen »wird so oder so eines Tages zustandekommen müssen. Noch aber geht jede Seite davon aus, dass die Situation nicht schlimm genug ist, um Zugeständnisse zu machen. Und der Druck von außen ist sehr punktuell.«

Neuer Gefangenenaustausch am Wochenende

Nach dem ukrainischen Angriff auf Russlands strategische Bomber am Sonntag [3]war befürchtet worden, Moskau könne die Gespräche abbrechen oder zumindest mit massiver Gewalt antworten. Das Risiko für eine Eskalation sei dadurch gestiegen, hatte der US-Sonderbeauftragte Keith Kellogg zuletzt befürchtet. Sie blieb bisher aus. Moskau hat bislang nur mit Schweigen und einigen Vorwürfen gegen das »Kiewer Regime« reagiert. Allerdings beziehen sich die Vorwürfe gegen die »Terroristen« auf die mutmaßlichen Anschläge auf Eisenbahnbrücken in den Gebieten Brjansk und Kursk am vergangenen Wochenende, bei denen mehrere Menschen ums Leben kamen. Mit Terroristen könne man keine Verhandlungen führen, so Putin in Moskau. Zuvor hatte Selenskyj seinerseits gesagt, es gebe gerade nichts mit Russland zu besprechen.

Die Fronten bleiben also hart. Einzig auf einen neuen Gefangenenaustausch am Wochenende im Format 500 gegen 500 konnte man sich verständigen. Und auf eine mögliche dritte Gesprächsrunde Ende Juni. Die genauso ergebnislos verlaufen wird wie die bisherigen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191638.gespraeche-in-istanbul-ukraine-und-russland-kriegsende-weiter-nicht-in-sicht.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183421.ukraine-krieg-frieden-fuer-die-ukraine-vorbild-getreideabkommen.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191636.ukraine-krieg-operation-spinnennetz-niemand-wird-im-kreml-in-panik-verfallen.html