»Wie viele Spiele haben wir hintereinander gewonnen?« Im Moment des zehnten Sieges in Serie der Füchse Berlin[1] konnte Mathias Gidsel seine Frage selbst nicht beantworten. Der zweimalige Welthandballer wollte damit keineswegs prahlen, sondern vor dem letzten und entscheidenden Bundesligaspiel keine Zweifel aufkommen lassen und verdeutlichen: »Wir sind bereit für diese Meisterschaft[2]«, sagte der dänische Rückraumspieler.
Viel Zeit bleibt den Berlinern nicht bis zum Showdown am Sonntag in Mannheim: Am Freitag stand vor allem die Regeneration nach dem 45:35-Sieg am Vorabend gegen den VfL Gummersbach und etwas Videostudium auf dem Programm, das Abschlusstraining für die Partie am 34. Spieltag[3] gegen die Rhein-Neckar Löwen folgt an diesem Sonnabend.
Auch wenn der Spielplan im Handball[4] immens belastend und kraftraubend ist, scheint es für die Füchse von Vorteil zu sein, gleich den nächsten Gegner vor Augen zu haben. Einerseits, weil sie auf einer unglaublichen Erfolgswelle schwimmen: Wettbewerbsübergreifend sind die Berliner seit 20 Spielen ungeschlagen, die letzte Niederlage mussten sie im Februar in der Champions League[5] beim polnischen Klub Wisla Plock hinnehmen. Doch weil die Anspannung mehr und mehr steigt, je näher der Titel rückt, ist es andererseits gut, wenig Zeit zum Nachdenken darüber zu haben, was diese Mannschaft erreichen kann: den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte.
Für klare Worte ist bei den Füchsen Bob Hanning zuständig. Und so blies der Manager am Donnerstagabend jeden Anflug möglichen Wankelmutes aus der Max-Schmeling-Halle: »Sieger zweifeln nicht, Zweifler siegen nicht.« Für Hanning würde nach 20 Jahren beim Hauptstadtklub ein »Lebenstraum«[6] in Erfüllung gehen. Der 57-Jährige ist zweifelsfrei der Vater des Erfolgs, die Namen der Protagonisten änderten sich in all der Zeit immer wieder.
Wenig verwunderlich sorgt aktuell der Welthandballer für die größten Schlagzeilen. Gegen Gummersbach erzielte Gidsel elf Tore, mit nun insgesamt 265 überbot er den von ihm im Vorjahr aufgestellten Bundesliga-Rekord für erzielte Feldtore – also ohne Siebenmeter – um zwei Treffer. Und ein Spiel bleibt ihm ja noch, der Gegner ist gewarnt. »Was Gidsel gerade macht, ist mit nichts zu vergleichen, was ich jemals gesehen habe. So eine Dominanz habe ich noch nie bei einem Spieler gesehen«, zeigte sich Spielmacher Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen beeindruckt. Für die Mannheimer, die als Neunter einen Rang schlechter als der VfL Gummersbach platziert sind, ist die Partie am Sonntag sportlich bedeutungslos. Genau das könnte die Gefahr sein: Im Abschiedsspiel für den nach Dänemark wechselnden Knorr wollen sich weder der Nationalspieler noch der Klub blamieren.
Jaron Siewert glaubt, dass sein Team mit dem Druck umgehen kann. Der Coach der Berliner Handballer ist der zweite große Hauptdarsteller beim Hauptstadtklub. Gefeiert wurde der 31-Jährige am Donnerstagabend von 9000 Zuschauern schon vor dem Anpfiff – als Trainer des Jahres. Abgestimmt hatten zuvor die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie die Trainer aller Bundesligavereine.
»Diese Auszeichnung würde ich sofort für die Meisterschaft eintauschen«, sagte Siewert nach dem Spiel gegen Gummersbach, dessen »hohe Bedeutung« er an der »nervösen Anfangsphase« seines Teams ablesen konnte. Doch nach 20 Minuten hatten seine Spieler, wie schon in der Vorwoche im Heimspiel gegen die damals noch punktgleichen Melsunger, den Gegner im Griff. Des Trainers Lob: »45 Tore in einem Bundesligaspiel zu werfen, in dem es um alles geht, ist überragend. Das war unglaublich, was wir auch heute wieder auf die Platte gebracht haben.« Wer die so furios aufspielenden Füchse in den vergangenen Wochen hat spielen sehen, dem können kaum Zweifel kommen, dass sie auch den letzten, entscheidenden Schritt gehen. Zur Meisterschaft reicht – bei einem Punkt Vorsprung und der um 55 Treffer besseren Tordifferenz gegenüber dem SC Magdeburg – am Sonntag in Mannheim schon ein Unentschieden.