Siebzehn Stunden dauerte der Antrittsbesuch von Friedrich Merz[1] in den USA. Bei dem gemeinsamen Auftritt vor Pressevertretern im Oval Office des Weißen Hauses am Donnerstag sprach Gastgeber Donald Trump »gefühlt 95 Prozent« der Zeit, wie der Deutschlandfunk-Korrespondent am Freitagmorgen berichtete. Aber der deutsche Regierungschef konnte immerhin seinen Wunsch nach mehr Unterstützung des US-Präsidenten für die Beendigung des Krieges in der Ukraine[2] äußern.
Er machte das mit einem merkwürdigen Vergleich: Vor 81 Jahren, am 6. Juni 1944, hätten die Westalliierten und damit die US-Amerikaner mit ihrer Landung in der Normandie[3] maßgeblich dazu beigetragen, dass das Hitler-Regime besiegt werden konnte, sagte der Kanzler.
Kurz irritierte daraufhin Trump mit dem Joke, das sei damals »kein guter Tag für euch« gewesen. Merz konterte: Doch, der Tag sei »erfreulich« gewesen, denn darauf sei »die Befreiung meines Landes von der Nazidiktatur« gefolgt. Und dann sagte der Kanzler, was er eigentlich vorbringen wollte: Lassen Sie uns das jetzt auch machen, gemeinsam: Europa vom Krieg befreien!
Zumindest wurde Merz daraufhin nicht wie vor einigen Monaten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor aller Welt runtergemacht. Man tauschte stattdessen unverbindlich Freundschaftsbekundungen aus, Merz brachte dem Präsidenten einen Golfschläger und ein Faksimile der Geburtsurkunde von Trumps pfälzischem Großvater Friedrich als Gastgeschenk mit.
Nach der Unterredung mit Trump zeigte sich der Kanzler sehr zufrieden. »Wir haben heute ein Fundament gelegt für sehr gute persönliche, aber auch politisch zielführende Gespräche«, sagt der CDU-Chef der ARD. Währenddessen interessierten sich die US-Medien fast ausschließlich für die zeitgleich eskalierende Fehde zwischen Trump und seinem Ex-Regierungsberater Elon Musk.
Der Umstand, dass der Deutsche jenseits übergriffiger Tätscheleien unbeschadet aus dem Auftritt mit Trump und seinem Vize JD Vance sowie Außenminister Marco Rubio herausgekommen ist, dürfte schon der größte Erfolg gewesen sein. Merz hatte sich ansonsten Vorträge zur US-Innenpolitik anhören müssen. Auf einer Wirtschaftsveranstaltung am Freitag in Berlin, räumte Merz ein: »Das war ja keine Pressekonferenz, das war eine gute Show im Oval Office.« Beim anschließenden Essen sollen die Redeanteile gleichmäßiger verteilt gewesen sein, Trump soll auch zugehört und nachgefragt haben.
Beim öffentlichen Auftritt lobte Trump Merz als »respektierten« und »guten Mann« und versprach: »Wir werden eine großartige Beziehung zu Ihrem Land haben.« Der US-Präsident würdigte auch die Tatsache, »dass Sie jetzt mehr Geld für die Verteidigung ausgeben – und zwar ziemlich viel mehr«. Das sei »eine positive Sache«. Der Kanzler hofft nun, zu einem, wenn nicht sogar zum wichtigsten Ansprechpartner überhaupt für den US-Präsidenten in Europa zu werden. Bisher waren das der französische Präsident Emmanuel Macron und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Angesichts dessen, dass Vizepräsident JD Vance dabei war, der im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor allem ein Ende der vermeintlichen Einschränkung der demokratischen Freiheiten rechter Wähler gefordert hatte, war Merz auf weitere Vorwürfe dieser Art vorbereitet gewesen. Unmittelbar vor seinem Treffen mit Trump hatte er angekündigt, in diesem Fall »sehr klar« seine Meinung zu sagen. Das Thema kam jedoch weder bei der Pressebegegnung noch beim gemeinsamen Mittagessen zur Sprache. In einem Interview von CNN schlussfolgerte Merz daraus, dass man sich in den USA inzwischen etwas klarer darüber sei, »was für eine Art Partei diese sogenannte Alternative für Deutschland wirklich ist«.
Sein Appell mit Blick auf die Ukraine und die glorreichen Zeiten des geschichtsklitternd den USA zugeschriebenen Sieges über die Wehrmacht brachte jedoch nichts. Trump bemühte für den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine den Vergleich der »kleinen Kinder«, die sich streiten. »Manchmal ist es besser, sie eine Weile kämpfen zu lassen und sie dann auseinanderzuziehen«, befand der Präsident. Mehr Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin will er derzeit jedenfalls nicht ausüben, und auch weitere Sanktionen mag er nicht verhängen.
Im Zollstreit zwischen den USA und der EU, das Thema, das Deutschland und die Vereinigten Staaten aktuell am meisten in Konflikt bringt, brachten die Unterredungen derweil keinerlei Ergebnisse. Bis zum 9. Juli ist noch Zeit, US-Zölle von 50 Prozent auf Waren aus der EU zu verhindern. Die Verhandlungen mit den USA führt die EU-Kommission. Zur Verbesserung des deutsch-amerikanischen Handelsaustauschs gab es eine konkrete Vereinbarung – es sollte die einzige der Merz-Visite bleiben: Zwei Beauftragte des Weißen Hauses und des Kanzleramts sollen sich ab sofort um eine bessere Koordination der Wirtschaftsbeziehungen kümmern. »Dafür war das Mittagessen Gold wert«, sagte der Kanzler nach dem Treffen.
Derweil hat die eskalierende Auseinandersetzung über Exportzölle bereits gravierende Auswirkungen auch auf die deutsche Wirtschaft. Die Aussichten bleiben trüb – auch die Bundesbank senkte ihre Konjunkturprognose und erwartet das dritte Jahr ohne Wachstum in Folge.
Im April gab es für Deutschlands Exporteure vor allem im Geschäft mit dem wichtigsten Handelspartner USA einen deutlichen Dämpfer, wie aus vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Freitag hervorgeht: Zwar gingen auch in dem Monat, in dem US-Präsident Donald Trump sein XXL-Zollpaket verkündete, die meisten deutschen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten. Mit 13 Milliarden Euro sanken sie allerdings auf den niedrigsten Wert seit Oktober 2024. Zum Vorjahresmonat gab es kalender- und saisonbereinigt sogar einen Rückgang um 6,3 Prozent.
»Jetzt sind die Auswirkungen der US-amerikanischen Handelspolitik bei uns angekommen. Die Exporte in die USA brechen ein«, bilanzierte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. »Die EU muss unbedingt in konstruktiven Gesprächen zu Lösungen mit unserem wichtigsten Handelspartner kommen. Ohne die USA geht es nicht.« Erst vor wenigen Tagen hatte Washington jedoch die Tonlage wieder verschärft: Trump verfügte eine Verdopplung der Zölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium in die USA von 25 auf 50 Prozent.
Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, sieht indes keinen Grund zu übertriebener Sorge wegen der Rückgänge bei Exporten und Produktion: »In der Summe deuten die Indikatoren darauf hin, dass sich die Lage in der Industrie stabilisiert und wir in der Nähe eines Wendepunkts zum Besseren sein könnten.«
Allerdings könnte die US-Handelspolitik durchaus erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt haben. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, sagte der »Süddeutschen Zeitung«, sie gehe davon aus, dass durch die US-Zölle binnen eines Jahres 90 000 Jobs verloren gehen könnten. Sie beruft sich dabei auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die den Effekt eines Zollsatzes von 25 Prozent untersucht hat. mit Agenturen