nd-aktuell.de / 09.06.2025 / Berlin

Berlin: Eine neue Tram für Treptow-Köpenick

Bezirk will nach Brückenabriss an der Wuhlheide vom Senat einen Straßenbahn-Lückenschluss

Nicolas Šustr
So könnte die neue Tramstrecke nach einer Simulation des Fahrgastverbands IGEB aussehen.
So könnte die neue Tramstrecke nach einer Simulation des Fahrgastverbands IGEB aussehen.

Einen klaren Vorrang für den Umweltverbund aus Bahnen und Bussen, Rad- und Fußverkehr – das fordern die Fraktionen von SPD, Linke und Grüne in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Treptow-Köpenick in einem gemeinsamen Antrag für die Neugestaltung des Kreuzungsbereichs von Treskowallee, Edisonstraße, Rummelsburger Straße und An der Wuhlheide. Vor wenigen Tagen ist dort der Abriss der maroden, verkehrlich überflüssigen Autobrücke in Rekordzeit beendet worden.

Zu einer »zukunftsfähigen Gestaltung« gehört für die drei Fraktionen, die gemeinsam die Mehrheit in der BVV bilden, auch eine neue Straßenbahnstrecke. Die Trasse soll laut Antrag entlang der Rummelsburger Landstraße und der Straße An der Wuhlheide führen. Sie würde in Rummelsburg von der Linie 21 an der Ecke Blockdammweg abzweigen und am Freizeit- und Erholungszentrum FEZ auf die Strecke der Linien 27, 60 und 67 treffen.

Bypass zum Stadion An der Alten Försterei

Damit würden »Köpenick, Schöneweide und das ehemalige Rundfunkgelände in der Nalepastraße sowie das gesamte Köpenicker Straßenbahnnetz besser angeschlossen«, heißt es in der Begründung des Antrags, der diesen Donnerstag im BVV-Plenum eingebracht werden soll. SPD, Linke und Grüne versprechen sich dadurch eine bessere »Anbindung für Veranstaltungen im FEZ, in der Parkbühne Wuhlheide sowie im Stadion An der Alten Försterei«.

Damit hätte das Köpenicker Teilnetz auch endlich eine zweite Gleisverbindung zum restlichen Netz der Berliner Straßenbahn. Als wegen Einsturzgefahr der Autobrücke die kreuzenden Tramgleise gesperrt werden mussten, war das Südostnetz abgeschnitten. Wäre der Abriss nicht so schnell vonstattengegangen, hätte die Sperrung Einschränkungen im Betrieb in Köpenick zur Folge gehabt. Nur rund einen Monat kann dort autark gefahren werden, hieß es von der BVG. Denn bestimmte Wartungen und Reparaturen an den Fahrzeugen können nur in Werkstätten außerhalb von Köpenick vorgenommen werden.

Beim Berliner Fahrgastverband IGEB zeigt man sich hocherfreut über den Vorschlag, den zunächst Treptow-Köpenicks Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) öffentlich äußerte. »Das Ende einer Verkehrssünde nicht gleich mit einer neuen zu beginnen, ist in der verkehrspolitischen Tristesse dieser Stadt ein regelrechter Farbtupfer«, sagt IGEB-Sprecher Christian Linow zu »nd«.

»Auch den Ansatz, eine schnelle Direktverbindung mit der Tram zwischen Köpenick und Ostkreuz zu schaffen, begrüßen wir«, so Linow weiter. Sie könne ein Bypass für die Bestandsstrecke der Linie 21 in der Karlshorster Ehrlichstraße sowie eine Umfahrungsmöglichkeit für die S-Bahn sein.

Weiße Flecken auf der ÖPNV-Landkarte

Tatsächlich würden die rund vier Kilometer Neubaustrecke einige weiße Flecken in der Berliner ÖPNV-Landkarte tilgen. Rund um das ehemalige Funkhaus Nalepastraße sind große Immobilienprojekte geplant, zudem ist der gesamte an die Wuhlheide grenzende Teil von Oberschöneweide schlecht mit Bahnen und Bussen erschlossen – die Wege bis zur nächsten Haltestelle sind bis zu einem Kilometer lang.

Trotz aller Freude würde der Fahrgastverband sich jedoch eher am Zielnetz des Berliner Bündnisses Pro Straßenbahn orientieren, das eine Führung der Neubaustrecke über die Nalepastraße empfiehlt. Sie würde ebenfalls am Blockdammweg abzweigen, allerdings näher am Spreeufer verlaufen und an der Kreuzung von Wilhelminenhof- und Edisonstraße in Oberschöneweide auf das Bestandsnetz treffen.

Baumschulenweg-Köpenick mit Bus 365

Für das »unzureichend mit dem ÖPNV erschlossene Gebiet zwischen An der Wuhlheide und Wilhelminenhofstraße« schlägt die IGEB stattdessen die Verlängerung der vom S-Bahnhof Baumschulenweg kommenden Buslinie 365 vor. Sie solle bis zum S-Bahnhof Köpenick verlängert werden, so Fahrgastvertreter Christian Linow. Wenn die sogenannte Westumfahrung Köpenick fertig ist, dann auf direktem Wege beim Union-Stadion unter dem Bahndamm durch. Ansonsten mit etwas Umweg durch die Bahnhofstraße.

»Das Ende einer Verkehrssünde nicht gleich mit einer neuen zu beginnen, ist in der verkehrspolitischen Tristesse dieser Stadt ein regelrechter Farbtupfer.«

Christian Linow Fahrgastverband IGEB

»Wie dem auch sei: Wir sehen in dem Vorstoß des Bezirks Potenzial und hoffen, dass der Senat dem Taten folgen lässt«, sagt Linow. »Perfekt geeignet« für die Strecke entlang der Wuhlheide wäre die ohnehin geplante neue Tramline 22, die mit Inbetriebnahme der Neubaustrecke am Bahnhof Ostkreuz die Linie 21 verstärken, aber nach aktuellen Plänen im neuen Wohngebiet Parkstadt Karlshorst am Blockdammweg enden soll. Das wäre laut IGEB ein »prima Anlass, die Linie 22 im Südosten gleich bis ins Allendeviertel zum Müggelschlößchenweg weiterzubauen«. Nur rund 1,2 Kilometer Neubaustrecke wären dafür nötig[1]. Die Großwohnsiedlung dort ist bis heute nur per Bus zu erreichen.

Dem Bezirksamt werde empfohlen, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass die vorgeschlagene Straßenbahntrasse »in den ÖPNV-Bedarfsplan aufgenommen und mit den Planungen begonnen wird«, heißt es im Antrag der Treptow-Köpenicker Fraktionen von SPD, Linke und Grünen.

Erster Anlauf für Wuhlheide-Tram scheiterte

Bisher zeigte der Senat wenig Bestrebungen, eine entsprechende Tramstrecke voranzutreiben. 2020 lehnte der damalige Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese (Grüne) den damaligen Vorstoß des Bezirks für Straßenbahngleise entlang Rummelsburger Landstraße und An der Wuhlheide ab. Es seien »andere Maßnahmen« zu priorisieren, heißt es im damaligen Schreiben der Senatsverkehrsverwaltung an den Bezirk, das »nd« vorliegt.

Mit der S-Bahn zum Ostkreuz und bestehenden Tramverbindungen gebe es »leistungsfähige Alternativangebote«, so der damalige Staatssekretär weiter. »Unter diesem Blickwinkel sowie in Anbetracht des zu erwartenden vergleichsweise geringen Nachfragepotenzials ist die benannte Straßenbahnnetzerweiterung auf absehbare Zeit nicht zu rechtfertigen.«

2011 wurde die Expresstram X20 gefordert

2011 waren es noch die Grünen selbst, die in einem im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf vorgestellten »Masterplan Tram« eine Express-Straßenbahn X20 in diesem Korridor, allerdings geführt durch die Nalepastraße, als »langfristige Priorität« sahen. »Die weitere städtebauliche Entwicklung des Spreeraumes rechtfertigt den Lückenschluss nach Schöneweide«, hieß es in dem Konzept. Damals ist ernsthaft von der BVG über die Stilllegung der Straßenbahnlinie 21 nachgedacht worden[2].


Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190041.strassenbahn-bvg-tram-ostkreuz-laesst-richtig-lange-auf-sich-warten.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190546.bvg-in-berlin-strassenbahnlinie-ferne-erinnerung-an-bessere-zeiten.html
Der Fahrgastverband IGEB schlägt vor, die Buslinie 365 ab der Edisonstraße zu erweitern.
Der Fahrgastverband IGEB schlägt vor, die Buslinie 365 ab der Edisonstraße zu erweitern.