Greta Kuckhoff gehörte zu dem als »Rote Kapelle« bezeichneten Widerstandsnetzwerk um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen. Anders als diese beiden, anders als Hans und Hilde Coppi[1] und als ihr Mann Adam wurde Greta Kuckhoff jedoch nicht hingerichtet, sondern erlebte 1945 im Zuchthaus Waldheim ihre Befreiung durch sowjetische Soldaten. In den 50er Jahren war sie Volkskammerabgeordnete und Präsidentin der Notenbank, engagierte sich später im Friedensrat der DDR. Sie wurde 78 Jahre alt, starb im November 1981 und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt – am Pergolenweg, wo auch der Bergmann und Aktivist Adolf Hennecke seine letzte Ruhestätte fand.
Viele Antifaschisten sowie Wissenschafter und Künstler sind hier beerdigt, oft mit ihren Angehörigen. Nun sind der Grabstein von Greta Kuckhoff[2] und Dutzende weitere Grabsteine von Unbekannten mit Exkrementen beschmiert worden. Historiker Jürgen Hofmann steht am Donnerstag fassungslos davor und urteilt: »Das ist eine gezielte Aktion. Das ist eindeutig.« Die Schandtat sei am Morgen bemerkt worden. Die Friedhofsverwaltung müsse nun erst für die Reinigung sorgen. Einstweilen stinkt es furchtbar.
Hofmann ist aktiv im Förderkreis Erinnerungsstätte der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde. Dieser kümmert sich um die zum Friedhof gehörende Gedenkstätte der Sozialisten. Dort befinden sich in einem Rondell die Grabplatten von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg[3]. Tatsächlich wurden deren sterbliche Überreste 1919 am anderen Ende des Friedhofs beigesetzt. Sie konnten aber nicht mehr geborgen werden, nachdem die Nazis dort das Revolutionsdenkmal des Architekten Mies van der Rohe zerstört und das dazugehörige Gräberfeld verwüstet hatten. Wirklich im Rondell beerdigt wurden Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht, der 1934 von den Faschisten ermordete KPD-Politiker John Schehr [4]wurde vor der 1951 erfolgten Eröffnung der Gedenkstätte von einem anderen Friedhof umgebettet.
Das alles und noch viel mehr weiß Jürgen Hofmann. Er erzählt bei Führungen davon und hat ein Buch über den Zentralfriedhof geschrieben. Die Grabanlage Pergolenweg befindet sich unmittelbar hinter der Ziegelsteinmauer, von der die Gedenkstätte der Sozialisten begrenzt ist. Auch hier finden sich auf den Grabsteinen Namen herausragender Vertreter der Arbeiterbewegung wie Paul Merker. Er hatte dem Politbüro von KPD und SED angehört, wurde dann aber 1952 verhaftet[5] und war als Opfer des Stalinismus bis 1956 inhaftiert. Die Urnen von mehr als 500 Menschen sind am Pergolenweg beigesetzt. Dass nun Dutzende Gräber mit Kot geschändet worden sind, erschüttert Jürgen Hofmann. Zwar wurde früher schon der Grabstein von DDR-Justizministerin Hilde Benjamin (SED) umgestoßen und es gab auch Schmierereien, aber so etwas hat Hofmann noch nie erlebt.
An diese Untat denkt die für Grünflächen zuständige Lichtenberger Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) natürlich nicht, als sie am Donnerstag schwärmt: »Wir haben den schönsten Friedhof berlinweit und hier passieren auch wunderbare Dinge.« Sie meint damit die jetzt fertige Umgestaltung der Kanalstraße und weitere Baumaßnahmen, die noch nicht abgeschlossen sind und zum Teil gerade erst beginnen.
Die Kanalstraße führt vom Haupteingang des Zentralfriedhofs 950 Meter nach Norden. Wer bei der alljährlichen Liebknecht-Luxemburg-Ehrung[6] über die Gudrunstraße zur Gedenkstätte strebt, kann sie linker Hand sehen – bevor er geradeaus durch die Tore tritt. Einst verlief dort einmal ein Kanal mit Brücken, erläutert Jürgen Hofmann. Daher habe diese Straße ihren Namen. Bis April vergangenen Jahres verlief über den zugeschütteten Kanal ein breiter Weg aus Asphalt, der zahlreiche Risse aufwies. Dann begann die Umgestaltung, die für die Friedhofsbesucher mit einigen Einschränkungen verbunden war. Eingedenk dieser Unannehmlichkeiten sagt Stadträtin Keküllüoğlu: »Ich hoffe, dass es sich gelohnt hat. Ich würde sagen: Ja.«
Denn es sind 5520 Quadratmeter Asphalt entfernt und durch 4200 Quadratmeter Betonpflaster ersetzt worden. Durch die zwischen den Pflastersteinen gelassenen Ritzen kann Regenwasser versickern. Außerdem fällt der neue Weg etwas schmaler aus. Auf den ersten 150 Metern wurde links ein zwei Meter breiter Streifen abgezwackt und mit Stauden und Gräsern bepflanzt. Im Herbst sollen noch 2000 Blumenzwiebeln gesteckt werden. Ein auf der rechten Seite angelegter Graben erleichtert das Versickern von Regenwasser. Die versiegelte Fläche hat sich um 2640 Quadratmeter reduziert. Das ist nicht allein ein Beitrag zum Umweltschutz. Der Bezirk Lichtenberg spart sich damit auch 4800 Euro Entgelt, die er bisher jährlich für Niederschlagswasser an die Berliner Wasserbetriebe entrichten musste.
»Das ist eine gezielte Aktion. Das ist eindeutig.«
Jürgen Hofmann Historiker
Zwar investierte der Bezirk 1,2 Millionen Euro in die Umgestaltung der Kanalstraße – allerdings nicht aus eigener Tasche, aus der eine solche Summe nicht aufzubringen gewesen wäre, wie Keküllüoğlu sagt. Die 1,2 Millionen Euro beschaffte der beim Lichtenberger Straßen- und Grünflächenamt beschäftigte Jörg Schreckenberg als Fördermittel aus dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm. Die Beantragung sei ein schwieriges und langwieriges Unterfangen gewesen, berichtet er. Doch es hat geklappt. »Der Friedhof hat dadurch sehr gewonnen.«
Das für diesen Zweck extra über die Kanalstraße gezogene Absperrband schneidet Stadträtin Keküllüoğlu am Donnerstag durch und eröffnet die Straße damit offiziell. Anderswo flattert das Absperrband noch für seinen eigentlichen Zweck. Auch Bauzäune gibt es nicht zu knapp. Im Februar war der alte Tiefbrunnen ausgefallen. Seit einer Woche wird nun ein neuer Brunnen gegraben, um die uneingeschränkte Wasserversorgung zu sichern. Anfang August soll der Brunnen fertig werden. Die umfänglichen Bauarbeiten zur Umgestaltung des Friedhofsvorplatzes sollen Ende 2025 abgeschlossen werden.
Bevor im vergangenen Januar die traditionelle Liebknecht-Luxemburg-Ehrung erfolgte, klaffte dort eine tiefe Baugrube und sorgte bei den Organisatoren des stillen Gedenkens und der LL-Demonstration für Befürchtungen[7], das Gedenken könne nicht wie gewohnt stattfinden. Doch wie von Keküllüoğlu versprochen, wurde in den Tagen vor dem 12. Januar ein Teil der Baugrube übergangsweise mit Schotter verfüllt[8] und so ein direkter Weg zur Gedenkstätte der Sozialisten geebnet. Normal gibt es derzeit nur einen schmalen seitlichen Zugang, der natürlich nicht ausgereicht hätte, wenn mit der Demonstration tausende Menschen auf einmal angekommen wären.
Im kommenden Januar hat sich dieses Problem erledigt, wenn die parkähnliche Gestaltung des Vorplatzes wirklich Ende 2025 abgeschlossen ist. Inzwischen sind auf dem Vorplatz bereits etliche Steine glatt verlegt, die das bisher holprige Kopfsteinpflaster ablösen. Derweil soll auch das Dach der Feierhalle instandgesetzt werden. Das sei längst überfällig, heißt es. Diese Woche sollen die Baugerüste dafür aufgestellt werden. »Hier passiert viel. Wir investieren viel«, sagt Politikerin Keküllüoğlu.