nd-aktuell.de / 09.06.2025 / Berlin

Berlin-Kreuzberg: Mit dem Anwalt gegen Naturschutz

Baufirma am Dragonerareal droht Umweltschützern mit juristischen Schritten

Peter Nowak
Auf dem Dragonerareal in Kreuzberg wird gebaut. Geplant ist eine Mischnutzung mit Wohnraum und Gewerbe.
Auf dem Dragonerareal in Kreuzberg wird gebaut. Geplant ist eine Mischnutzung mit Wohnraum und Gewerbe.

Umweltschützer sehen sich von einer am Dragonerareal tätigen Abrissfirma eingeschüchtert. In einem Anwaltsschreiben wird eine Naturschützerin beschuldigt, »durch mehrfache unbegründete Anschuldigungen, Drohungen und die Verbreitung objektiv falscher Tatsachenbehauptungen« zu einer Störung des Betriebsablaufs beigetragen zu haben. So steht es in einem Schreiben, das eine Anwaltskanzlei, die die Interessen der Kummer Erd und Tiefbau GmbH vertritt.

Gerichtet ist das Schreiben an Johanna (Name von der Redaktion geändert), die in der Nachbarschaft des Dragonerareals in Kreuzberg unweit des Mehringdamms wohnt. Sie egangiert sich bei den Berliner Naturfreunden und ist Mitautorin eines Gutachtens, das sich mit dem Schutz von Ruhe- und Fotpflanzungsplätzen geschützter Singvögel auf dem Areal befasst. Das Dragonerareal ging 2019 von Bundes- und Landesbesitz über. Seitdem läuft ein städtebauliches Modellprojekt für eine »gemeinwohlorientierte und kooperative« Stadtentwicklung unter Beteiligung verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure. Geplant ist eine Mischnutzung mit Wohnraum und Gewerbe[1].

»Im Zusammenhang mit den Abrissmaßnahmen habe ich mehrfach Artenschutzverstöße festgestellt«, schreibt Johanna in einer Stellungnahme, die »nd« vorliegt. Sie habe sich deswegen sowohl an die Baufirma als auch zuständige Stellen des Berliner Immobilienmanagements (BIM) gewandt, die für das Dragonerareal zuständig sind. Am 20. Mai schaltete die Naturschützerin sogar »wegen Gefahr im Verzug« die Polizei ein, nachdem eine Beschwerde bei der Firma Kummer wegen Verletzung des Störungsverbots von geschützten Singvögeln brüsk abgewiesen wurde. Spatzen, die an einer Wand auf dem Gelände hausen, würden, so Johanna, durch übermäßigen Baulärm gestört[2]. Die Polizist*innen erklärten, dass die Behörden längst eingeschritten wären, wenn eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Deshalb gäbe es bei den Baumaßnahmen am Dragonerareal keine Verstöße, so die Antwort der Beamt*innen.

Die Anwaltskanzlei verweist in ihrem Schreiben unter anderem auf diesen Vorfall. Auch auf andere Anrufe und Briefwechsel zwischen Johanna und Behörden sowie der Baufirma Kummer nimmt der Brief, der »nd« vorliegt, Bezug. Johanna wird in dem Anwaltsschreiben »mit Nachdruck aufgefordert, jedwede Kontaktaufnahme mit unseren Mandanten« zu unterlassen. Strafrechtliche Schritte bei weiterer Kontaktaufnahme sowie Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche werden angedroht.

Die Firma Kummer verteidigt gegenüber »nd«, eine Anwaltskanzlei eingeschalten zu haben. »Die wiederholte Einschaltung der Polizei unter Verbreitung falscher Behauptungen ist ein juristisch relevanter Vorgang, auf den wir juristisch reagiert haben. Unser Anliegen war es dabei, die möglichen Konsequenzen der Verbreitung unwahrer Behauptungen aufzuzeigen«, schreibt Mitinhaber Falko Kummer.

»Das Schreiben der Anwältin nehme ich als Bedrohung und Einschüchterung wahr, während ich nur Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz melde und mich für die Einhaltung geltenden Artenschutzrechts einsetzte«, kommentiert Johanna gegenüber »nd«.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165405.dragonerareal-noch-fuenf-jahre-bis-zum-erstbezug.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179278.wohnungsbau-dragonerareal-in-berlin-modellprojekt-in-gefahr.html