Ein Sammler mit viel Herz

Der Pankower Jürgen Becker verfügt über eine Kollektion von mehr als 200 Schrittmachern

  • Meta Werner
  • Lesedauer: 3 Min.

Sammeln kann man nahezu alles: Doch was Jürgen Becker seit Jahrzehnten zusammenträgt, ist schon recht ungewöhnlich: Bei ihm erhalten implantierte Herzschrittmacher ein zweites Leben. Rund 200 besitzt der 66-Jährige davon. Damit verfügt er über einen einzigartigen Bestand, den er auch an Museen verleiht.

Seine Sammlung bewahrt der Pankower auf dem Hängeboden auf. Sie liegt dort in Kartons und Schachteln verpackt. Nicht besonders weich gepolstert, das brauchen diese technischen Geräte nicht. »Die Herzschrittmacher sind robust«, sagt Jürgen Becker. Verschmitzt lächelt er dabei, denn er weiß, dass viele Menschen »falsche Vorstellungen von dem künstlichen Stimulationsgerät haben«.

Becker dagegen begleitet praktisch seit 49 Jahren die Entwicklung dieser genialen Erfindung. Als er nämlich 1958 zum Medizintechnischen Kaufmann ausgebildet wurde, setzte der schwedische Professor Ake Senning einem Patienten den ersten implantierten Herzschrittmacher ein. Doktor Rune Elmqvist hatte das Gerät konstruiert und baute Silizium-Transistoren und eine Nickel-Cadmium-Batterie in eine Kunstharz-Schuhcreme-Dose ein. Der Prototyp war 16 Millimeter hoch und wog 77 Gramm. Jürgen Becker besitzt einen Nachbau davon.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Gerät, das den Herzmuskel mit gezielten elektrischen Impulsen wieder zur normalen Arbeit anregt, kaum von seinen Nachfolgern: Viele waren ebenfalls durchsichtig, hatten allerdings verschieden rundliche Formen. Einige Exemplare wurden zunächst sogar doppelt so schwer konstruiert und brachten mehr als 150 Gramm auf die Waage. »Die neuesten Modelle wiegen etwa 14 Gramm«, erklärt Becker. Sie besitzen einen hauchdünnen Metallmantel und sehen ein bisschen aus wie Feuerzeuge. »Und sie wurden immer intelligenter«, weiß der Fachmann, »berücksichtigen inzwischen sogar herzeigene Impulse«.

Jürgen Becker kann zu jedem Sammelstück eine kleine Geschichte erzählen. Er weiß wann das Gerät gebaut wurde, kennt die Parameter und entsprechenden Anschlussstücke. Schließlich arbeitete er mehr als 20 Jahre als Marketingleiter für Herzschrittmacher in Erlangen. Durch Zufall ist er an seine ersten Geräte gekommen. Denn Ärzte brachten ihm immer wieder ausrangierte Schrittmacher, weil sie nicht wussten, wohin damit.

»Man durfte damals nicht mit so einem Implantat beerdigt werden«, erinnert sich Jürgen Becker. Er nahm also die Stimulatoren mit nach Hause und lagerte sie in der Garage. »Mich faszinierte schon immer, wie mit technischen Geräten Menschen geholfen werden kann«, sagt der Sammler. Er bedauert allerdings, dass generell so viele alte Dinge weggeworfen werden. »Dadurch geht viel Historie verloren.« Auf mehr als 1000 Teile war sein medizintechnischer Bestand in den 90er Jahren angewachsen: Dazu gehörten auch Reizstrom- und EKG-Geräte. Deshalb wollte er eigentlich ein eigenes Museum eröffnen.

Diese Idee hat er inzwischen verworfen, doch Teile seiner Sammlung sind unter anderem im Medizinhistorischen Museum Ingolstadt zu besichtigen.

Auch jetzt bekommt der Senior öfter Anrufe von Ärzten, die Interesse an einem alten Gerät haben. Weil Jürgen Becker viele doppelt hat, tauscht er dann Alt gegen Neu.

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