Was für ein beklemmendes Gefühl das sein muss. Zu wissen: Ich könnte helfen. Und zu wissen: Ich kann es nicht. Es ist Anfang März, als eine schwangere Frau Joachim Volz, den Chefarzt der Gynäkologie des Klinikums Lippstadt, kontaktiert. Zuvor hatte sie erfahren, dass ihrem Fötus ein großer Teil des Gehirns fehlt – Überlebenschancen gleich null. Ein klassischer Fall für eine Abtreibung[1] aus medizinischen Gründen, Routine für Volz. Eigentlich. Wären nicht kurz zuvor das evangelische und katholische Krankenhaus der Stadt zusammengelegt worden. Seitdem gilt im Klinikum Lippstadt das »Arbeitsrecht der katholischen Kirche«. Und das heißt: Abbrüche nur noch bei akuter Lebensgefahr[2].
Für den Frauenarzt unvereinbar mit seinem Gewissen: Über ihren Körper sollen Frauen entscheiden dürfen[3] – und nicht die Kirche. Volz zieht gegen seinen Arbeitgeber vor Gericht. Sollte das Arbeitsgericht im Juli gegen ihn entscheiden, möchte er vor die nächste Instanz ziehen, wenn nötig bis vor Bundesarbeitsgericht.
Es ist ein wichtiger Kampf, den der 67-Jährige zum Ende seines ereignisreichen Arbeitslebens aufnimmt. Volz verbrachte Zeit in einer Klinik in Namibia, im militärischen Sperrgebiet zu Angola; half beim Aufbau zweier Krankenhäuser in Kaschmir; bildete libyische und pakistanische Ärzt*innen aus. 2012 gründete er mit seiner Frau ein Kinderwunschzentrum in Bielefeld.
Zuletzt machte sich Volz bereit für einen Ausflug in die Bundespolitik: Er bewarb sich 2024 für die Bundestagsdirektkandidatur im Wahlkreis Bielefeld, blieb allerdings erfolglos. Die Partei mag überraschen: Wie das Krankenhaus hat sie das Wort »christlich« im Namen.