nd-aktuell.de / 13.06.2025 / Politik

Fußfesseln gegen Femizide: Elektronischer Lebensretter

Innenministerkonferenz einigt sich auf bundesweite Einführung von Fußfesseln

Anton Benz
Nähert sich ein Täter trotz der Fußfessel seinem Opfer, wird bei der Polizei ein Alarm ausgelöst und die betroffene Person erhält eine Warnmeldung auf ihrem Smartphone.
Nähert sich ein Täter trotz der Fußfessel seinem Opfer, wird bei der Polizei ein Alarm ausgelöst und die betroffene Person erhält eine Warnmeldung auf ihrem Smartphone.

Beim Schutz von Frauen vor Gewalt[1] sollen künftig elektronische Fußfesseln für die Täter helfen. Darauf einigten sich die Innenminister*innen von Bund und Ländern bei ihrer Frühjahrskonferenz in Bremerhaven. Um dafür die technischen Voraussetzungen zu schaffen, beschlossen sie, dass die Kapazitäten der gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder in Hessen ausgeweitet werden sollen.

»Die elektronische Aufenthaltsüberwachung ist ein entscheidendes Instrument im Kampf gegen Femizide[2]«, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). »Die meisten Femizide geschehen nach Trennungen, wenn Männer ihre ehemaligen Partnerinnen als Besitz betrachten und der Kontrollverlust zur tödlichen Bedrohung wird. Genau hier setzt die elektronische Aufenthaltsüberwachung an – sie schafft den notwendigen Schutzraum für gefährdete Frauen.« Spanien setzt Fußfesseln bereits seit dem Jahr 2009 ein, um Frauen zu schützen. Unter den so fast 13 000 überwachten Fällen gab es laut spanischem Innenministerium keine Femizide mehr[3].

Nun soll dieses »spanische Modell« nach Deutschland kommen: Männer, die ihre Ex-Partnerin schlagen und bedrohen, können dann nach einer gerichtlichen Anordnung zum Tragen einer elektronischen Fußfessel gezwungen werden. Damit kann der Abstand zwischen Täter und der geschädigten Person überwacht werden. Nähert sich Ersterer trotz der Fußfessel, wird bei der Polizei ein Alarm ausgelöst und die betroffene Person erhält eine Warnmeldung auf ihrem Smartphone.

Der Beschluss der Innenminister*innen ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Umsetzung. Die neue Bundesregierung hatte bereits angekündigt, die elektronische Fußfessel nach dem sogenannten spanischen Modell durch eine entsprechende Gesetzesänderung zu ermöglichen. In manchen Bundesländern wird sie bereits eingesetzt, die Landesregierungen hatten jedoch den Wunsch nach einer bundesgesetzlichen Regelung geäußert, um das Verfahren zu vereinfachen.

Kritik an dem Beschluss der Innenministerkonferenz kam von der Linken. »Mit Fußfesseln drückt sich die Politik vor echter Prävention!«, so Kathrin Gebel, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. »Um Gewalt gegen Frauen, weil sie Frauen sind, zu bekämpfen, brauchen wir Täterarbeit, soziale Absicherung, Aufklärung und einen Straftatbestand Femizid!«

Frauenhauskoordinierung (FHK) und Diakonie Deutschland begrüßten den Vorstoß, warnten aber ebenfalls vor einseitigen Lösungsansätzen ohne begleitende Strukturen. »Elektronische Überwachung kann nur ein Baustein in einem umfassenden Schutzkonzept sein«, sagte Katharina van Elten, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der FHK. »Ohne flächendeckende Risikoanalysen und multidisziplinäre Fallkonferenzen, kontinuierliche Begleitung der gewaltbetroffenen Frauen, geschulte Fachkräfte in Polizei und Justiz wird dieser Ansatz alleine nicht greifen.« Bei den genannten Fallkonferenzen kommen Polizei, Justiz, Jugendamt und Beratungsstellen zusammen, um ihren Wissensstand zu teilen. In vielen Fällen sind spätere Opfer von Femiziden einzelnen Stellen schon bekannt, nur fehlt es an gemeinsamen Absprachen.

Es brauche zudem eine Nachbesserung bei der Ausstattung von Schutzräumen sowie bei Beratungs- und Präventionsangeboten. »Seit Jahren steigt die Zahl der Fälle von Partnerschaftsgewalt gegen Frauen und gleichzeitig können unsere Einrichtungen von Gewalt bedrohte Frauen nicht aufnehmen, weil in Deutschland noch immer mehrere tausend Plätze in Frauenhäusern fehlen. Das können wir als Gesellschaft nicht hinnehmen«, sagt Elke Ronneberger, Bundesvorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Zudem reiche es nicht aus, Frauen und Mädchen besser zu schützen: »Wenn wir häusliche Gewalt wirklich verhindern wollen, müssen wir sehr viel mehr präventiv arbeiten und auch mit den Tätern zusammenarbeiten, um die von Gewalt geprägten Beziehungs- und Verhaltensmuster zu verändern«, so Ronneberger.

In Deutschland hat die Gewalt gegen Frauen zuletzt zugenommen[4]. 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten – 360 von ihnen wurden ermordet. Die Zahl der weiblichen Opfer von häuslicher Gewalt stieg auf 180 715.  mit Agenturen

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188993.femizide-in-berlin-nicht-nur-bei-gewalt-schuetzen.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189383.gewaltschutz-fallkonferenz-und-fussfessel-berlin-macht-beim-gewaltschutz-meter.html
  3. https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/fussfessel-spanisches-modell-stalking-100.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186891.gewalt-gegen-frauen-im-jahr-fast-ein-femizid-pro-tag.html