nd-aktuell.de / 18.06.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Doch nicht Tiktoks letzter Tanz

US-Präsident Trump schiebt Verbot chinesischer Social-Media-Plattform erneut auf

Felix Sassmannshausen
Der US-Präsident lässt sich Zeit mit der Tiktok-Entscheidung.
Der US-Präsident lässt sich Zeit mit der Tiktok-Entscheidung.

Aus dem Geschäftsmodell von Influencer*innen, die mit ihren Kurzvideos Werbeeinnahmen generieren, ist die Social-Media-Plattform Tiktok nicht mehr wegzudenken. Weltweit nutzen inzwischen knapp 1,6 Milliarden Menschen die Plattform, rund 170 Millionen davon allein in den USA. Insbesondere unter jungen Leuten ist der Dienst beliebt. Gegenüber Konkurrenten wie Instagram (Meta), Youtube (Google) oder Snapchat konnte Bytedance, das Unternehmen hinter Tiktok, vor allem seit der Corona-Pandemie mit Tanz-Clips erhebliche Marktanteile gewinnen.

Die Marktmacht des chinesischen Konzerns gilt manchen Politiker*innen in den USA als Gefahr für die nationale Sicherheit. Auch weil neben Unterhaltung und Werbung auf Tiktok Nachrichten über die Kurzvideos geteilt werden – viele davon ungeprüft. Ein von Republikanern und Demokraten im Kongress gemeinsam verabschiedetes Gesetz sieht deshalb eine erzwungene Ausgliederung der US-Sparte und deren Verkauf vor. Oder die Plattform sollte vom Netz genommen werden. Die Regelung verbietet, dass mehr als ein Fünftel des Unternehmens unter der Kontrolle eines »ausländischen Kontrahenten« steht.

Eigentlich war das Gesetz im Januar unmittelbar vor dem Amtsantritt des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump in Kraft getreten. Doch wie die Sprecherin des Weißen Hauses Karoline Leavitt nun bekannt gab, wird die Umsetzung des Kongressbeschlusses am Donnerstag zum dritten Mal per Dekret durch Trump aufgeschoben. Der US-Präsident hatte selbst lange ein Verbot oder den Verkauf der Plattform unterstützt. Doch zuletzt wandte er sich von dieser Position ab. Auch dank Tiktok hatte er im Zuge des Wahlkampfs eine Vielzahl junger Wähler*innen erreichen können.

Hintergrund für den erneuten Aufschub sind laufende Verhandlungen zwischen Tiktok-Eigentümer Bytedance und der Trump-Administration. Berichten zufolge geht es darum, wie die Ausgliederung der US-Sparte konkret aussehen soll. Darauf hat auch die Regierung in Peking erheblichen Einfluss, weil sie den Deal nach chinesischem Recht absegnen muss. Als besonders umstritten gilt, wer die Kontrolle über den Algorithmus und die gesammelten Daten erhält, die auch für die Weiterentwicklung von KI-Modellen genutzt werden können.

Es geht also um viel Geld und die Frage, wer im Technologiewettbewerb zwischen China und den USA die Nase vorn hat. Für 2024 erwartet Tiktok weltweit eine Umsatzsteigerung auf etwa 23 Milliarden US-Dollar – ein Wachstum von knapp 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Werbeeinnahmen der Plattform sollen allein in den USA von 5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf prognostizierte 18,7 Milliarden im Jahr 2026 steigen. Der Dachkonzern Bytedance gilt mit einem Wert von 300 Milliarden US-Dollar als das zweitwertvollste nicht börsennotierte Unternehmen der Welt.

Zu möglichen US-Investoren im Falle einer Tiktok-Ausgliederung zählen die milliardenschweren Vermögensverwalter Blackstone und Silver Lake. Ein offizielles Angebot liegt laut Redaktionsnetzwerk Deutschland auch vonseiten des Milliardärs Frank McCourt und dessen Non-Profit-Organisation Project Liberty vor. Zudem sollen Medienberichten zufolge Amazon, Meta und der Cloud-Dienstleister Oracle Übernahmeangebote gemacht haben.

Als besonders umstritten gilt, wer die Kontrolle über den Algorithmus und die gesammelten Daten erhält.

Letzterer verarbeitet bereits seit 2022 alle Nutzerdaten der Kurzvideo-Plattform über seine Cloud-Infrastruktur. Der langjährige Oracle-CEO und -Gründer Larry Ellison gilt als Vertrauter Trumps. Das Tech-Unternehmen ist auch Teil des milliardenschweren Programms »Stargate«, mit dem die USA ihre Dominanz im KI-Bereich sichern wollen.

Laut der Nachrichtenagentur Associated Press war die chinesische Regierung zuletzt bereit, einem Tiktok-Deal zuzustimmen, zog sich aber wegen des eskalierenden Zollstreits aus den Verhandlungen zurück. Trump zufolge wird der Verkauf voraussichtlich erst nach Abschluss eines Handelsabkommens zwischen beiden Ländern erfolgen. Zum erneuten Aufschub gab Bytedance auf nd-Anfrage keine Stellungnahme ab.

Eine grundsätzliche Aufhebung des Kongressgesetzes fordert indes die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU). Ihr zufolge verletzt die Regelung »die Rechte von mehr als 170 Millionen Menschen in Amerika, die Tiktok nutzen, um zu kommunizieren, die Welt kennenzulernen und sich auszudrücken«. Auch schaffe das Gesetz die Grundlage für eine staatliche Zensur des Internets. »Das gefährdet die Freiheit jedes Einzelnen in diesem Land, online zu kommunizieren und sich zu informieren«, heißt es in einer Stellungnahme.

Auf das Recht auf Meinungsfreiheit hatte sich auch Bytedance mit einer Klage vor dem obersten Gericht der USA berufen. Doch der Supreme Court wies diese im vergangenen Jahr ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit des Gesetzes.