Trotz deutlich angeschlagener Gesundheit wurde Maja T. am Mittwoch erneut in Handschellen vor Gericht gebracht. Vor Prozessbeginn attestierte ein Gefängnisarzt laut Majas Umfeld kurzfristig mangelnde Verhandlungsfähigkeit – revidierte diese Einschätzung jedoch, nachdem er von Verantwortlichen bedrängt worden war. So jedenfalls berichtete es am Mittwoch eine Soligruppe, die Maja T. im Prozess unterstützt.
Maja T., non-binär und deutsche Staatsbürger*in, befindet sich seit dem 5. Juni im Hungerstreik[1]. Seitdem hat die in Budapest inhaftierte Person nach Angaben ihrer Unterstützer*innen[2] sieben Kilogramm Körpergewicht verloren, leidet an Konzentrationsschwierigkeiten, Unterkühlung und Erschöpfung. Nach über einem Jahr in Einzelhaft unter menschenrechtswidrigen Bedingungen sei der Hungerstreik ein letzter Versuch gewesen, auf die eigene Lage aufmerksam zu machen, heißt es.
Laut Anklage soll sich Maja T. als Mitglied einer kriminellen Vereinigung[3] an Angriffen auf tatsächliche oder vermeintliche Teilnehmende der Neonazi-Veranstaltung »Tag der Ehre« in Budapest im Februar 2023 beteiligt haben. Neun Personen seien dabei verletzt worden, vier davon schwer. Die ungarische Staatsanwaltschaft spricht von gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung »unter Inkaufnahme des Todes«. Die Angriffe seien mit Werkzeugen erfolgt, »die zur Auslöschung des Lebens geeignet sind«. Maja T. soll deshalb für 24 Jahre ins Gefängnis.
Vor diesem Hintergrund wächst nun die Besorgnis über die gesundheitliche Verfassung während des laufenden Verfahrens. Der Vorstand des deutschen Vereins demokratischer Ärzt*innen warnt: Ein Haftaufenthalt an sich berge ein Gesundheitsrisiko. Unter den bekannten Bedingungen in ungarischen Gefängnissen steige dieses erheblich. Der Verband fordert daher sowohl die Einhaltung medizinischer Standards gemäß der Malta-Deklaration als auch die sofortige Rückführung von Maja T. nach Deutschland.
Majas Vater Wolfram Jarosch sprach von einem Skandal: »Offensichtlich gibt es in Ungarn Ärzte, die den Gehorsam gegenüber Behörden über den hippokratischen Eid stellen.« Er fordert unabhängige medizinische Kontrollen durch deutsche Fachpersonen.
Auch politisch wächst der Druck. Martin Schirdewan, Vorsitzender der Fraktion The Left im Europäischen Parlament, kündigte seine Anwesenheit beim nächsten Prozesstag am Freitag an. Er hatte Maja T. bereits zuvor im Gefängnis besucht[4]. Schirdewan erklärte: »Die Bundesregierung darf nicht weiter wegschauen, wie Ungarn ein Exempel an der antifaschistischen Person statuiert.«
Ebenfalls am Freitag wird über Maja T.s Antrag auf Hafterleichterung und Verlegung in den Hausarrest entschieden. Trotz Hungerstreiks und gesundheitlicher Risiken gibt es jedoch bislang keine Hinweise, dass die ungarische Justiz von ihrem Kurs abrücken will – eine Entlassung in den Hausarrest mit oder ohne elektronische Fußfessel, wie sie vergangenes Jahr für die ebenfalls in Budapest angeklagte Ilaria Salis erfolgte, ist damit unwahrscheinlich.
Sowohl der Verein demokratischer Ärzt*innen als auch Martin Schirdewan fordern die Bundesregierung auf, sich aktiv für eine Rückholung von Maja T. einzusetzen. Es dürfe nicht hingenommen werden, dass eine deutsche Staatsbürger*in unter diesen Bedingungen einem Verfahren im Ausland ausgesetzt werde – insbesondere da das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung als rechtswidrig eingestuft hat.
Das Auswärtige Amt erklärte indes, die Rücküberstellung liege allein im Ermessen ungarischer Gerichte. Schirdewan sagt zu diesem Thema: »Das ungarische Justizsystem wird politisch von Diktator Victor Orbán gesteuert«. Kanzler Friedrich Merz (CDU) und sein Stellvertreter Lars Klingbeil (SPD) müssten die Rückholung von Maja T. deshalb zur Chefsache erklären.