Vor Kurzem ist der sechste Film der »Final Destination«-Reihe[1] in die Kinos gekommen, eine Serie von Horrorfilmen[2], die alle nach einem überwältigend einfachen Muster funktionieren: Eine Gruppe von Menschen wird Zeugnis einer Katastrophe, die sie alle das Leben hätte kosten sollen. Doch eine Person erhascht zuvor einen prophetischen Blick auf die Zukunft und kann die Katastrophe abwenden. Die ist damit aber nur verschoben, nicht abgewendet: Denn der Tod ist in dieser Serie eine intelligente, rachsüchtige Kraft, die versucht, die ihm entgangenen Opfer doch noch zu erhaschen – über eine Serie scheinbarer Unfälle, die nur in ihrer Unwahrscheinlichkeit und Grausamkeit darauf hinweisen, dass eine Intelligenz hinter ihnen steckt. Am Ende sterben all die scheinbar Überlebenden doch noch – nur selten entgeht jemand dem Sensenmann.
Die Überraschung ist, dass es keine Überraschung gibt: Das ist sowohl das Geheimnis der Serie als auch der jeweiligen Filmhandlungen. Niemand entgeht seinem Schicksal, diese Formel wird nie auch nur experimentell gebrochen. Es änderte sich lediglich die Tonalität: Aus anfangs sich selbst sehr ernst nehmenden Horrorfilmen werden zunehmend Komödien. Das Publikum meiner Vorführung war kaum erschrocken, sondern überwiegend belustigt: von den Versuchen der Protagonist*innen, ihrem Schicksal irgendwie zu entgehen, von ihren sinnlosen Theorien über die Natur der übernatürlichen Kraft und nicht zuletzt von den kreativen Todesarten, die sie heimholen.
Inszeniert der klassisch-neoliberale[3] Horrorfilm das Überleben von Pärchen, noch lieber von heteronormativen Kleinfamilien gegen unermessliches Grauen als kapitalistische Reproduktionserzählung in der Polykrise[4] – wir können uns nur auf uns selbst verlassen, aber das immerhin garantiert unser Weiterbestehen –, wirkt der Defätismus von »Final Destination« erfrischend: Niemand entkommt; der Aufwand, den Tod auszutricksen, verlängert nur das Leiden – das erinnert an barocke Vanitas-Motive. Aber auch die neoliberalen Versprechen werden denunziert: Weder Familienbande schützen, noch Freund*innen, Geld oder Wissen.
Gleichzeitig erzählen die Filme die reale Schutzlosigkeit der kapitalistischen Normalität als naturgegeben, erzeugen grinsendes Einverständnis: Autos überfahren einen nun mal, Aufzugseile reißen, Industrieprodukte versagen. Die Filme machen indirekt Werbung für geplante Obsoleszenz[5], für eine Reduzierung von Verbraucherschutz und Regulierung: Alles ist schäbig, erwartet nicht zu viel von den Produkten oder Regeln, die euch schützen sollen! Erwartet nicht zu viel vom Leben überhaupt! So stellen die Filme auch Gewöhnung her an permanente Prekarität, an eine Welt ohne Aufsicht, in der es natürlich trotz des unvermeidlichen Todes weiterhin Gewinner*innen und Verlierer*innen geben wird.
In ihrer mechanischen Wiederholung dieser Geschichte entlarvt die Reihe nicht nur den Tod als unentrinnbar, sondern das Leben im Spätkapitalismus als einen Ort ritualisierter Vergeblichkeit. Es ist keine Erzählung mehr, die uns Erlösung verspricht – sondern eine, die uns an sein permanentes Scheitern gewöhnt.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192023.horrorfilme-niemand-entkommt-tod-und-kapitalismus.html