nd-aktuell.de / 19.06.2025 / Kommentare

Atomwaffen abschaffen. Alle

Wie der Sipri-Bericht und die Meldung über Kürzungen beim UN-Nothilfebüro zusammenpassen

Uli Brockmeyer
Protestaktion des Bündnisses »Gegen den geplanten Kauf atomwaffenfähiger Kampfjets« im April 2022 vor dem Berliner Reichstagsgebäude
Protestaktion des Bündnisses »Gegen den geplanten Kauf atomwaffenfähiger Kampfjets« im April 2022 vor dem Berliner Reichstagsgebäude

Zwei aktuelle Agenturmeldungen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Zunächst berichtete die Deutsche Presseagentur (dpa) über den neuen Bericht des Friedensinstituts Sipri, in dem die Stockholmer Forscher eindringlich vor der Gefahr eines neuen atomaren Wettrüstens warnen. Gegenwärtig gebe es nach ihrer Zählung einen weltweiten Gesamtbestand von 12 241 Atomsprengköpfen. Davon befänden sich »9614 für den potenziellen Einsatz in militärischen Lagerbeständen«.

Die Gesamtzahl dieser gefährlichsten Massenvernichtungswaffen habe sich seit einiger Zeit nicht wesentlich geändert. Vor allem in den USA und in Russland seien etliche von ihnen aus dem Verkehr gezogen, dafür aber neue, modernere hinzugekommen. Allerdings sei bei der Zahl der einsatzfähigen Waffen seit einigen Jahren eine Steigerung zu beobachten, woraus die Forscher bei Sipri schließen, dass der Gesamtbestand ebenfalls weiter ansteigen werde.

Sipri registriert insgesamt neun Staaten, die Atomwaffen besitzen. Die USA und Russland verfügen mit 5328 beziehungsweise 5580 über etwa 90 Prozent des Gesamtbestandes. Hinzu kommen Großbritannien mit 225, Frankreich mit 290, China mit 500, Indien mit 172, Pakistan mit 170, Nordkorea mit geschätzt 50 und Israel mit 90 atomaren Sprengköpfen. Mit anderen Worten: Drei Staaten der Nato besitzen 5843 Sprengköpfe gegenüber 5580 in Russland, woraus sich nach Nato-Logik eine dringende Notwendigkeit ergibt, gegen die »russische Bedrohung« massiv aufzurüsten …

Von Interesse ist zudem die Feststellung der Stockholmer Forscher, dass sich aus dem Besitz von Atomwaffen keinerlei Garantie für ein friedliches Nebeneinander ergibt. Das zeigte sich erst kürzlich beim Aufflammen des alten Konflikts zwischen den Atommächten Indien und Pakistan. Und der Besitz von Atomwaffen schafft auch nicht mehr Sicherheit, wie in diesen Tagen bei den Angriffen Israels, des einzigen Atomwaffenstaates in der Region des Nahen Ostens, gegen den Iran zu sehen ist.

Der aktuelle Sipri-Bericht verzichtet auf die Nennung der immensen Kosten, die durch Forschung und Entwicklung, die Herstellung, Lagerung, Wartung und Stationierung von Atomwaffen entstehen. Allein die Tatsache, dass die Europäische Union – im Gleichschritt mit der Nato – in der nächsten Zeit 800 Milliarden Euro für eine gewaltige Aufrüstung veranschlagt, macht deutlich, welche immense Verschwendung an Ressourcen hier vor sich geht. Es handelt sich um riesige Geldsummen, die nicht einfach durch neu gedruckte Geldscheine aufgebracht werden, sondern die schmerzhaft fehlen bei der Bewältigung der zahlreichen Probleme, denen sich die Menschheit heute und in naher Zukunft ausgesetzt sieht.

Am Montag meldete dpa auch, dass wegen akuter Geldnot das Nothilfebüro der Uno (OCHA) geplante humanitäre Hilfen für Millionen Menschen streichen muss. Vor allem die USA, aber auch andere Länder haben ihre Budgets für Hilfe deutlich gekürzt, berichtet OCHA. Noch im Dezember hatte das Büro auf 44 Milliarden Dollar (rund 38 Milliarden Euro) für das Gesamtjahr gehofft – und wäre inzwischen froh, wenn 29 Milliarden Dollar zusammenkämen. Im Juni waren es allerdings erst 5,6 Milliarden.

Es gibt viele Gründe, alle Atomwaffen abzuschaffen, alle, ohne Ausnahme.

Dieser Text ist am 17. Juni in unserem Partnermedium »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« (Luxemburg) erschienen[1]. Der Beitrag wurde nachbearbeitet und gekürzt.

Links:

  1. https://www.zlv.lu/db/1/1435839063046/0