Hochverrat und Verletzung lautet das Urteil des estnischen Gerichts, das Swetlana Burzewa vor gut einer Woche zu sechs Jahren Haft verurteilt hat. Die Angeklagte habe für russische Propagandamedien gearbeitet, die das Narrativ des Kremls verbreiten und zur sanktionierten russischen RT-Holding gehören. Die 1966 in Tallinn geborene Burzewa erhielt 1994 die estnische Staatsbürgerschaft. Sie gehört der russischen Minderheit an und arbeitete für verschiedene russischsprachige Medien, war außerdem in der 2022 gegründeten sozialkonservativen Partei »Koos« (Zusammen) aktiv. Seit März 2024 befand sie sich in Untersuchungshaft.
Burzewa soll unter einem Pseudonym Artikel für die in Estland verbotenen Medien Baltnews und Sputnik Eesti verfasst haben, so das Gericht. Beide gehören zu RT (ehemals Russia Today) und richten sich an die russischsprachige Bevölkerung, die mit der Sprach- und Geschichtspolitik im Baltikum unzufrieden ist. Immer wieder veröffentlichten die Medien Falschmeldungen. So wurde unter anderem behauptet, Adolf Hitlers Mein Kampf sei in Lettland beliebter als die Harry-Potter-Romane. 2017 sorgte die Meldung [1]von einer angeblichen Gruppenvergewaltigung eines Mädchens aus einem Kinderheim im litauischen Jonava durch die dort stationierten deutschen Soldaten für Aufregung.
Die Verurteilung Burzewas hat eine weitere politische Dimension. Die 57-Jährige soll laut Anklage Kontakte zu Roman Romatschew, einem Reserveoffizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, haben. Romatschew leitet heute ein Privatunternehmen. Für die estnischen Behörden besteht jedoch kein Zweifel: Romantschew betreibt »informationspsychologische Operationen« im Interesse Russlands und soll mit Burzewa ein Buch mit dem Titel »Hybrider Krieg für den Frieden« geschrieben haben. Damit, so das Gericht, habe die Journalistin vorgehabt, die »estnische Gesellschaft zu spalten« sowie »die Republik Estland und ihre Institutionen« zu diskretisieren.
Ein Urteil wie das gegen Burzewa ist selbst für die immer nationalistischer agierenden baltischen Staaten ungewöhnlich. Doch es zeigt auch: In Estland, Lettland und Litauen wächst die Angst vor einem russischen Angriff. Zuletzt zeigte sich Litauen alarmiert, als Russlands Außenminister Sergei Lawrow das Vorwort zu einem Sammelband über die Geschichte des Landes verfasste und damit in den Augen der Politik in Vilnius dem baltischen Land die Existenzberechtigung absprach.
Vor wenigen Tagen kam es im lettischen Parlament zu einem Eklat, als Alexei Rosljkow (Aleksejs Rosļikovs in der von ihm abgelehnten lettischen Schreibweise), Anführer der Partei der russischsprachigen Minderheit »Stabilitātei!« in seiner Rede einen Satz auf Russisch sagte. »Wir sind in der Mehrheit, die russische Sprache ist unsere Sprache.« Ein Skandal in einem Staat, der seine größte Minderheit nicht anerkennen will. Rosljkow wurde wegen »Grobheit« und Verwenden russischer Sprache aus dem Plenarsaal entfernt, später festgenommen und unter der Auflage entlassen, das Land nicht zu verlassen. Der Geheimdienst ermittelt seitdem gegen ihn wegen »Anstiftung zur zwischennationalen Feindseligkeit« und »Hilfe für den Aggressorstaat Russland.«