nd-aktuell.de / 23.06.2025 / Berlin

Tempelhofer Feld: Ideenwettbewerb schließt Bauen nicht aus

Das Tempelhofer Feld bebauen? Der Senat stellt Ergebnisse eines stadtplanerischen Ideenwettwerbs vor

David Rojas Kienzle
Die Zukunft des Tempelhofer Feldes wird immer wieder in Frage gestellt.
Die Zukunft des Tempelhofer Feldes wird immer wieder in Frage gestellt.

Riesige Plakate hängen im Otto-Suhr-Saal im Neuen Stadthaus in Mitte. Auf ihnen sind verschiedene Entwürfe für eine potenzielle Umgestaltung des Tempelhofer Felds zu sehen: von einem Waldgürtel am Südrand des Feldes über punktuelle Umgestaltung bis hin zu einer Bebauung mit Wohngebäuden am West- und Südrand inklusive neuer S-Bahn-Station. Der Senat präsentiert die Ergebnisse des »offenen internationalen stadt- und freiraumplanerischen Ideenwettbewerbs zum Tempelhofer Feld«.

»Die ausgewählten, mit Preisen und Anerkennungen bedachten Entwurfsideen zeigen eindrücklich, welche Chancen dieses strategisch bedeutsame Projekt für die Berliner Stadtentwicklung hat«, sagt Iris Reuther, Vorsitzende der Jury. Reuter hat aus 20 vorausgewählten Entwürfen sechs ausgewählt. Die Senatsbaudirektorin der Hansestadt Bremen stellt diese vor. Zwei widmen sich einer Weiterentwicklung des Tempelhofer Feldes als Freifläche, etwa mit Nutzungsvorschlägen für die 32 bestehenden Gebäude auf dem Gelände. Zwei weitere Vorschläge wollen die Fläche landschaftlich umgestalten, mit einem Waldsaum am südlichen Rand etwa.

Für erhebliche Diskussionen dürften die Ideen für eine Bebauung[1] sorgen. Die beiden Vorschläge, die diese Idee verfolgt haben, haben einiges gemeinsam. Eine Bebauung auf der Neuköllner Seite des Feldes kommt nicht vor, dafür aber am Tempelhofer Damm und in Richtung Süden. Wie viele Wohnungen gebaut werden könnten, ist nicht gesagt. Mindestens vierstellig, sagt Reuther. So habe sich gezeigt, dass es Sinn ergebe, am Tempelhofer Damm zu bauen.

Ausgelobt wurde der Wettbewerb von der Regierungskoalition aus CDU und SPD, um die Optionen für eine behutsame Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld zu prüfen. Auf der Pressekonferenz betont Stadtentwicklungssenator Christian Gabler (SPD), dass es sich nicht um eine »Realisierungsperspektive« handle. Denn mit dem per Gesetzesvolksentscheid 2014 beschlossenen Tempelhofer-Feld-Gesetz sind Veränderungen an der größten Freifläche der Hauptstadt nicht einfach so möglich.

Aber warum dann das Ganze? »Ideen entwickeln ist in einer Demokratie immer möglich«, sagt Gaebler, der ein erklärter Befürworter einer Randbebauung ist. Der Ideenwettbewerb habe gezeigt, dass man aus dem Tempelhofer Feld wesentlich mehr für die Stadt machen könne. »Auch in dem Bereich, der für Freizeitgestaltung als Freiraum vorhanden ist, gibt es durchaus Luft nach oben.« Die Ergebnisse, so der Senator, würden Nachhall haben. »Weil wir sehen, worüber wir reden, und nicht aus irgendwelchen Schützengräben heraus irgendwelche Schlagzeilen produzieren, in die eine oder andere Richtung.«

Eingebettet ist der Ideenwettbewerb in einen weiteren unverbindlichen Prozess. Im Rahmen sogenannter Dialogwerkstätten, zu denen 275 zufällig ausgewählte Berliner*innen eingeladen worden waren, wurde bereits im September 2024 über eine mögliche Zukunft des Feldes diskutiert. Aber auch hier war das Ergebnis klar: Eine Mehrheit der Teilnehmer*innen sprach sich gegen eine Randbebauung[2] aus. Die jetzt von einer Jury ausgewählten sechs Entwürfe werden in die nächste Dialogwerkstatt gegeben.

»Das Tempelhofer Feld ist kein Experimentierfeld für Landschaftsarchitekt*innen.«

Rainer Altenkamp Vorsitzender Nabu

Diese Ergebnisse würden dann dem Abgeordnetenhaus und dem Senat vorgelegt, so Gaebler. Dort müsse dann entschieden werden, wie weiter damit verfahren wird. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es darüber intensive Diskussionen geben wird.«

Diese Diskussionen gibt es schon jetzt. Auf dem Gehweg vor dem Gebäude stehen vor der Pressekonferenz zwei Aktive von der Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen« und halten ein Banner. Prozesse wie die Dialogwerkstatt zeigten, dass SPD und CDU die demokratischen Voten der Berliner*innen nicht ernst nähmen und immer wieder Strategien suchten, sie zu umgehen, sagt eine Vertreterin der Initiative zu »nd«. »Die Lösung für die Wohnungskrise liegt mit der Vergesellschaftung auf dem Tisch und es gibt genug ausgewiesenes Bauland, um das Feld unbebaut zu lassen.«

Auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen äußern Kritik am Ideenwettbewerb. Die Naturschutzorganisation Nabu kritisiert in einer Mitteilung, dass der Senat, trotz des klar geäußerten Bürgerwillens für den Erhalt des gesamten Feldes, weiter an der Option einer Randbebauung festhalte. »Am Ende bleibt die Frage, welchem Zweck dieser Wettbewerb überhaupt dient. Das Tempelhofer Feld ist kein Experimentierfeld für Landschaftsarchitekt*innen«, so Rainer Altenkamp, Vorsitzender des Nabu. Angesichts von Klimakrise und Artensterben sei es fahrlässig, eines der letzten großflächigen naturnahen Areale[3] Berlins zu verbauen.

Selbst von einer der Preisträgerinnen kommt Widerspruch. Jeder Entwurf mit Bebauung sei undemokratisch, da er dem Volksentscheid von 2014 und den aktuellen Resultaten aus den Dialogwerkstätten direkt widerspreche, so Bike Rebek, deren Architekturbüro gezielte Maßnahmen zur ökologischen Resilienz, zur besseren Erschließung des Feldes sowie zur Nachnutzung der vorhandenen Gebäude und Infrastruktur vorschlägt.

»Der Senat ist mit seiner Strategie gescheitert, durch einen teuren Wettbewerb eine Bebauung des Tempelhofer Feldes zu legitimieren«, erklärt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der oppositionellen Grünen, Julian Schwarze. Die Mehrheit der ausgewählten Entwürfe sehe keine Bebauung vor. »Das ist ein klares Signal gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181011.wohnungsbau-tempelhofer-feld-ran-an-die-randbebauung.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179948.stadtentwicklung-tempelhofer-feld-salamitaktik-fuer-bebauung.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190055.klimaanpassung-stadtentwicklung-in-berlin-ziel-schwammstadt.html