nd-aktuell.de / 13.11.2007 / Politik / Seite 5

Bücherklub in Gera kurz vor dem Ende

Kein Geld für einen linken Treffpunkt der Jugend

Ralf Stoll ist stellvertretender Vorsitzender der unabhängigen Jugendbibliothek-Gera e. V. Weil Geld fehlt, droht dem Projekt nun die Schließung. Mit dem arbeitslosen, früheren NVA-Offizier sprach Peter Liebers.

ND: Der Geraer Jugendbibliothek droht das Aus. Wie hat sie sich bisher finanziert?
Stoll: Vor allem aus Beiträgen, die von Mitgliedern selbst festgelegt werden. Die meisten zahlen zwischen einem und fünf Euro. Uns unterstützte ein Mitglied der DKP, von dem wir monatlich 50 Euro bekamen. Andere Spender sind weggezogen. Da fehlen uns 60 bis 70 Euro Einnahmen im Monat. Wir haben alles versucht, doch das hat nicht das gebracht, was wir brauchen

Wie hoch sind die Kosten ?
Wir zahlen 210 Euro Miete. Dazu kommen 30 Euro Nebenkosten. Wir nehmen aber nur 70 Euro ein.

Wie steht's mit Fördermitteln?
Wir haben bis jetzt 50 Euro Ehrenamtspauschale bekommen. Alles andere ist abgelehnt worden. Wahrscheinlich sind wir ein bisschen zu links.

Wenn Sie zu weit links sind, haben Sie denn mal versucht, die neue Linkspartei anzuzapfen.
In Gera haben wir das mit wenig Erfolg versucht. Sie hält uns für ein zu unsicheres Projekt. Es gab auch indirekte Versuche, uns zu vereinnahmen. Das wollen wir nicht. Wenn wir als Jugendbibliothek der LINKEN gelten, wäre die Hemmschwelle für manche Jugendliche zu groß. Wir wollen eine linke Jugendbibliothek bleiben, in der alle linken Parteien mit persönlichem Engagement mitarbeiten können. Dabei wollen wir parteiunabhängig bleiben, weil viele Jugendlichen Angst haben, einer Partei anzugehören. Die einzige Partei, die uns unterstützt, ist die DKP – mit 20 Euro. Linken Parteien klagen, sie hätten zu wenige Zulauf von jungen Leuten. Hier lassen sie sie allein.

Seit wann gibt es die Einrichtung?
Die Bibliothek gibt es seit Juni 2005. Da kamen Jugendliche, die Bücher geschenkt bekommen hatten und die nicht mehr unterbringen konnten, zu mir. Wir haben uns dann nach einem Raum erkundigt. In der Innenstadt war das unbezahlbar. Da haben wir uns hier am Stadtrand auf 81 Quadratmetern in einer Halle eingerichtet, in der Zeiss zu DDR-Zeiten Zieleinrichtungen für Panzer gebaut hat. Das ist zwar ziemlich abgelegen, aber wir haben uns gesagt, entweder wir lassen es sein oder wir fangen hier an und hoffen, dass jemand herfindet. Alles, was wir hier haben, ist zusammengeborgt und zusammengesucht. Fast alle Regale sind aus dem Grobmüll. So entstand ein Klub, in dem etwa 50 Jugendliche eine Heimat finden.

Die Jugendbibliothek ist also eher ein Jugendklub?
Ja. Ein Jugendklub, der zur Sorge um Andere erziehen und Miteinander statt Gegeneinander pflegen soll. Die Jugendlichen haben mir zum Beispiel den TÜV bezahlt, weil ich arbeitslos bin, das Auto aber brauche, um hier arbeiten zu können. Das zeigt mir, dass die Arbeit auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Bei manchen Jugendlichen, die hier ankommen, sieht man von Monat zu Monat einen Wissenszuwachs.

Wie groß ist Ihr Buchbestand?
Über 10 000 Bücher, etwa 100 Filme und Lichtbildervorträge. Das wurde alles gespendet, aus dem Müll gesucht oder selbst hergestellt. Außerdem bekommen wir 52 Zeitungen von den jeweiligen Verlagen kostenlos. Das spart uns 250 Euro im Monat.

Was passiert mit dem Bestand, wenn Sie schließen müssen?
Dann kommt alles in den Container und es geht wertvolles Kulturgut den Bach runter.


Jugendbibliothek-Gera e.V.
Keplerstraße 34-36
07549 / Gera
0365 / 5523735

Konto:
Jugendbibliothek-Gera e.V.
Konto: 57118
BLZ: 830 500 00

www.jugendbibliothek-gera.7to.de[1]

Links:

  1. http://www.jugendbibliothek-gera.7to.de/