Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat unmissverständlich klargestellt, dass auf dem Nato-Gipfel im niederländischen Den Haag keine Extrawürste gebraten werden. »Die Nato kennt keine Ausnahmeregelungen«, sagte er. An wen er sich dabei vor allem wendet, fügte er an: »Die Nato ist absolut überzeugt, dass Spanien 3,5 Prozent ausgeben muss.« Das ist die Kompromissformel, auf die sich Rutte mit US-Präsident Donald Trump vorab geeinigt hatte. Zu den 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) für Aufrüstung soll demnach jedes Land zudem 1,5 Prozent für Infrastrukturmaßnahmen, Cybersicherheit und Terrorismusbekämpfung ausgeben. Trump hatte sogar mindestens fünf Prozent allein für Aufrüstung gefordert.
Da Spanien sich gegen die Vorstellung ausgesprochen hatte, schoss sich Trump vor dem Gipfel auf die sozialdemokratische Regierung in Madrid ein, obwohl auch andere Länder wie die Slowakei das Fünf-Prozent-Ziel infrage gestellt hatten. »Die Nato wird sich mit Spanien beschäftigen müssen«, erklärte Trump vergangene Woche. »Es gibt ein Problem mit Spanien«, bekräftigte er auf dem Weg in die Niederlande an Bord der Air Force One vor Journalisten. Das Land sei »sehr unfair gegenüber dem Rest«. Er veröffentlichte eine Liste mit Rüstungsausgaben von Nato-Staaten. Spanien rangiert darauf mit nur 1,3 Prozent auf dem letzten Rang. Die Zahl ist allerdings nicht mehr richtig, denn Spanien hat die Rüstungsausgaben schon im Frühjahr um 10,5 Milliarden Euro auf 2,1 Prozent der Wirtschaftsleistung gegen starke Kritik fast verdoppelt. Auf diesen Wert will der sozialdemokratische Ministerpräsident Pedro Sánchez die Ausgaben für die »Wiederbewaffnung« festschreiben. Der von der EU-Kommission geprägte Begriff gefällt ihm nicht. Sánchez will lieber »über die Notwendigkeit sprechen, die europäischen Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten zu verbessern«.
Sánchez hatte am Sonntag behauptet, »eine historische Vereinbarung mit der Nato getroffen« zu haben. Sie ermögliche es dem Land, »ein wichtiges Mitglied des Bündnisses zu bleiben und einen seinen Fähigkeiten entsprechenden Beitrag zu leisten, ohne dass es seine Verteidigungsausgaben erhöhen oder fünf Prozent des BIP erreichen muss«. In einer Ansprache erklärte er, Spanien werde »nicht mehr und nicht weniger« als 2,1 Prozent des BIP ausgeben. Davon kann keine Rede sein und das gibt auch das Schreiben von Rutte an Sánchez nicht her, mit dem dieser versuchte, linke Unterstützer zu beruhigen. Rutte hat ohnehin vor dem Trump-Abflug in die Niederlande per Nachricht gegenüber seinem Auftraggeber schon einen »großen Erfolg« verkündet. »Europa wird in großem Stil zahlen, so wie es sich gehört, und es wird Ihr Sieg sein«, meldete Rutte nach Washington. Man habe es geschafft, dass »alle das Fünf-Prozent-Ziel« unterschreiben. Das geht aus Messenger-Nachrichten hervor, die Rutte an Trump gesendet hatte und die vom US-Präsidenten[1] veröffentlicht wurden.
Tatsächlich hatte Rutte in einem kurzen Antwortschreiben an Sánchez Spanien nur »Flexibilität« bei der Erreichung der militärischen Fähigkeitsziele eingeräumt. Den Brief hatte Sánchez auf X getwittert, obwohl dieser seine Ankündigungen nicht stützt[2]. Die Flexibilität gäbe es bestenfalls bis 2029. Dann sollen mit Blick auf die Erreichung des Fünf-Prozent-Ziels »der Verlauf und die Ausgewogenheit der Ausgaben« im Hinblick auf die aktualisierten Nato-Ziele überprüft werden, schrieb Rutte weiter.
Sánchez hatte zuvor dem Nato-Generalsekretär geschrieben, die Verpflichtung auf das Fünf-Prozent-Ziel sei »nicht nur unangemessen, sondern auch kontraproduktiv«. Es sei »unvereinbar mit unserem Sozialstaat und unserer Weltanschauung«. Er übernahm so die Kritik, die schon die bisherige Erhöhung auf gut zwei Prozent abgelehnt hatte.
Sánchez hatte die Erhöhung der Verteidigungsausgaben im Frühjahr ohne Abstimmung im Parlament und ohne die Verabschiedung eines Haushalts durchgesetzt, da er keine Mehrheit gefunden hatte. Diesen Vorgang hatten Unterstützer der Minderheitsregierung als »Kriegserklärung« gewertet. Die Linkspartei Podemos spricht angesichts der Sánchez-Ankündigungen von »Verarschung«. Andere Unterstützer meinen, die Sánchez-Regierung hänge am seidenen Faden. Wie »nd« schon berichtete, drohen auch Teile des linken Koalitionspartners Sumar mit dem Austritt[3] aus der Regierung, wenn die Rüstungsausgaben weiter steigen. Einige Unterstützer wollen ohnehin die Nato verlassen und fordern auch die Schließung der US-Basen im Land. Sánchez hat nicht nur in der Nato Gegenwind.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192152.nato-gipfel-spanien-will-aus-der-reihe-tanzen.html