Drei Tage vor der von der ungarischen Regierung verbotenen »Budapest Pride« am 28. Juni veröffentlicht die NGO Algorithmwatch mit weiteren Organisationen eine Petition an das Europaparlament[1]. Die Petenten fordern die EU dazu auf, die KI-Verordnung durchzusetzen, die den Einsatz von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum zu Überwachungszwecken verbietet.
Der Grund: Im März verabschiedete die Regierung von Viktor Orbán ein Gesetz, das unter anderem Pride-Paraden verbietet[2]. Wer an einer solchen Versammlung teilnimmt, kann mit einer Geldstrafe von bis zu 200 000 Forint (knapp 500 Euro) belegt werden. Um dies durchzusetzen, wurde die Polizei befugt, eine Live-Gesichtserkennung bereits bei Ordnungswidrigkeiten einzusetzen[3].
Algorithmwatch sieht in dem Gesetz eine gezielte Einschüchterung der ungarischen LGBTQIA+-Community. Der Fall zeige, dass KI-Systeme missbraucht werden können, um ganze Gruppen zu kriminalisieren und ihre Rechte zu beschneiden. Daher fordert die NGO auch in Deutschland ein nationales Verbot biometrischer Gesichtserkennung. Eine weitere Petition, die die deutsche Regierung auf EU-Ebene zum Handeln gegen das Pride-Verbot aufruft, kommt inzwischen auf fast 100 000 Unterschriften[4]. Eingebracht hat sie die »Freie Ungarische Botschaft« (FUB), ein Zusammenschluss von Exil-Ungar*innen, die sich für Rechtsstaatlichkeit in ihrem Herkunftsland engagieren.
Der oppositionelle Bürgermeister der ungarischen Hauptstadt, Gergely Karácsony[5], reagierte auf das Verbot, indem er die Budapest Pride zu einem kommunalen Fest umwidmete; das bedarf nach seiner Auffassung keiner Genehmigung durch die Polizei. »Damit belebt Budapest seine frühere Tradition, jeden Juni die Freiheit zu feiern und an den Abzug der sowjetischen Truppen zu erinnern, wieder«, hieß es in einer Erklärung. Und weiter: »Die diesjährige Feier zum Budapester Freiheitstag trägt den Titel ›Budapest Pride‹«.
Die Polizei stufte dieses »Freiheitsfest« weiterhin als Versammlung ein und hat sie verboten. Laut einem Schreiben der deutschen Botschaft in Budapest, das dem »nd« vorliegt, hat die ungarische Regierung am Dienstag bekräftigt, dass auch sie die derzeit geplante Pride-Veranstaltung als verbotene Versammlung einstuft. Algorithmwatch weist gegenüber »nd« darauf hin, dass bereits der Besuch einer Pride-Parade laut ungarischem Gesetz strafbar sei. Daher befürchtet die NGO, dass die Polizei sich im Recht sehen wird, auch Teilnehmende einer von der Stadt organisierten Veranstaltung zu verfolgen.
Ob und wie die ungarischen Behörden gegen die Budapest Pride vorgehen werden, bleibt abzuwarten. Trotz der unsicheren Rechtslage und drohenden Strafen haben zahlreiche Aktivist*innen und Politiker*innen aus ganz Europa ihre Teilnahme angekündigt.
Auch aus mehreren deutschen Städten sind gemeinsame Anreisen geplant. Die FUB organisiert eine Busanreise aus Berlin. Über 110 Personen in zwei Bussen seien dafür angemeldet, sagt Dániel Fehér gegenüber »nd«. Aus Köln organisieren Grünen-Abgeordnete des Bundestags und des Europaparlaments eine Fahrt. Auch aus Hamburg und München seien Anreisen nach Budapest geplant, so Fehér.
Zwar verweist die FUB auf die geringe Wahrscheinlichkeit, unter der großen Menschenmasse identifiziert zu werden und darauf, dass EU-Bürger*innen meist nicht per Gesichtserkennung ausgemacht werden können. Dennoch stellt sie einen Fonds für mögliche Bußgelder bereit, der aus Spendengeldern besteht.
Die Veranstalter sprechen von einer Rekordzahl internationaler Gäste, die sich zur 30. Budapest Pride angekündigt haben. Unter ihnen sollen auch 70 Abgeordnete des Europäischen Parlaments sein.