nd-aktuell.de / 26.06.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Neuer Anlauf beim CCS-Gesetz

Wirtschaftsministerin will Kommerzialisierung der CO2-Speicherung vorantreiben, diesmal aber ohne Kohle

Jörg Staude
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) dringt auf eine rasche CCS-Novelle.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) dringt auf eine rasche CCS-Novelle.

Klima-Quizfrage: Wann sagte die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche das hier zum Thema CCS, also zur CO2-Abscheidung- und -Speicherung[1]? »Für den Umstieg in eine Energieversorgung, die auf erneuerbaren Energien basiert, brauchen wir mehr effiziente Gas- und Kohlekraftwerke. Hierfür brauchen wir klimafreundliche Lösungen.« Und nahtlos fügte die CDU-Politikerin an: »CO2 entsteht nicht nur bei der Stromproduktion, sondern auch bei Industrieprozessen. Deshalb hat auch die Industrie ein großes Interesse daran, über eine Technologie zu verfügen, die es erlaubt, Industrieprozesse umwelt- und klimafreundlich zu gestalten.«

Der Auszug stammt aus einer Bundestagsrede vor mehr als 14 Jahren. Reiche begründete als Staatssekretärin im Umweltministerium, warum die damalige schwarz-rote Koalition ein Gesetz zu Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid für nötig hält, also ein CCS-Gesetz.

Ins Jahr 2025 passen die Kohlekraftwerke nicht mehr. Deren Tage sind in Deutschland gezählt. Das andere aber klingt heutig. Wurden aufgrund fehlender Akzeptanz in der Bevölkerung im Gesetz bisher nur Testspeicher erlaubt, ist das Bundeswirtschaftsministerium unter Reiche erneut dabei, ein darüber hinausgehendes CO2-Speichergesetz auf den Weg zu bringen. Grundlage soll eine noch von der Ampel erarbeitete, aber nicht mehr vom Parlament beschlossene Vorlage sein.

Am Ziel von 2014 hält Reiche fest: Es geht um die Kommerzialisierung von CCS. Das Treibhausgas soll exportiert oder unterirdisch im deutschen Teil der Nordsee oder gar zu Lande gespeichert werden. Profitieren sollen Industrien wie Zement, Kalk, Müllverbrennung und Chemie mit sogenannten »schwer vermeidbaren« Emissionen sowie die neuen Gaskraftwerke, die die Ministerin bis 2030 bauen lassen will.

»Für den Stromsektor kann CCS angesichts der stark gesunkenen Kosten für den Umstieg auf erneuerbare Energien keine Option mehr sein.«

Franziska Holz Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Sichtlich geändert hat sich die Dringlichkeit, das verbleibende CO2 irgendwie loszuwerden,[2] denn Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Der Zeitdruck für Kraftwerke und energieintensive Industrien ist dabei noch größer, denn im EU-Emissionshandel sollen ab 2040 keine neuen Ausstoßrechte mehr ausgegeben werden. Emittiert ein Unternehmen dann noch CO2, muss es die Klimawirkung mit Gutschriften kompensieren – oder das Treibhausgas per CCS entsorgen.

Im Jahr der Klimaneutralität wird Deutschland laut Studien noch 65 bis 90 Millionen Tonnen CO2 emittieren, der größte Teil davon müsse wiederum mittels CCS beseitigt werden. Theoretisch gibt es dafür ausreichend Speicher. In porösen Gesteinsschichten sollen laut Schätzungen bis zu 20 Milliarden Tonnen unterzubringen sein, ein Fünftel davon unterm deutschen Meeresgrund. Dazu kommen bereits ausgebeutete Erdgas- und Erdöllager mit knapp drei Milliarden Tonnen Speichervolumen.

»Mit dem heutigen Stand des Wissens wäre die geologische – also unterirdische – CO2-Speicherkapazität im europäischen Raum keine knappe Ressource«, bilanziert Klaus Wallmann vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Bezüglich der konkreten deutschen Ressourcen hegt er aber eher Zweifel. In der deutschen Nordsee könne die Speicherkapazität von 0,9 bis 5,5 Milliarden Tonnen reichen, sagt der Kieler Forscher. Dabei sei sehr unsicher, wie viel davon wirklich realisierbar ist. »Es ist möglich, dass die realen Speicherkapazitäten in Deutschland für die Industriesektoren gar nicht ausreichen«, warnt Wallmann. Zumal, wenn auch noch CO2 aus Gaskraftwerken hinzukäme.[3]

Die Potenziale zu erschließen, ist für Experten letztlich eine wirtschaftliche Frage. »Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 werden sehr teuer sein – Schätzungen liegen zwischen 150 und 250 Euro pro Tonne für die ganze Kette«, sagt der Geomar-Forscher. Vermeidung werde deswegen an vielen Stellen günstiger sein.

Das größte Problem aus seiner Sicht ist aber, dass hierzulande noch gar keine Speicherstätten erkundet sind. Firmen, die Kohlendioxid lagern wollen, könnten daher noch keine Erlaubnis für die Erkundung beantragen. Das soll sich durch die von Reiche geplante Novelle ändern. Erkundung, Beantragung und Aufbau der CO2-Infrastruktur werden aber Jahre dauern. Selbst wenn das Gesetz dieses Jahr verabschiedet wird und die Planungsprozesse beschleunigt werden, gäbe es frühestens um 2035 das erste Speicherprojekt in Deutschland, veranschlagt Wallmann. Und Peter Viebahn vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie ergänzt, das Gesetz werde zunächst auch nur eine Speicherung unterm Meer erlauben – die unter Land müssten die jeweiligen Bundesländer regeln.

Dagegen könnte der Export von CO2, wie die Prognosen sagen, schon 2030 starten. Leitungen brächten das Treibhausgas an die Küste, von dort könnte es nach Norwegen, Dänemark, Großbritannien und in die Niederlande verschifft werden. Diese Länder sind mit der Erkundung von Speichern schon weiter.

Der von Reiche verfolgten Idee, neue Gaskraftwerke mit CCS zu betreiben, stehen die meisten Experte*innen skeptisch gegenüber. »Für den Stromsektor kann CCS angesichts der stark gesunkenen Kosten für den Umstieg auf erneuerbare Energien keine Option mehr sein«, sagt Franziska Holz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Nach Ansicht von Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist derzeit auch nicht abzuschätzen, was eine CCS-Option für Gaskraftwerke bringen würde. Unklar sei zum Beispiel, wie viele Kraftwerke bei einer Erlaubnis überhaupt mit Technologien zur CO2-Abscheidung ausgestattet würden. »Sie sind zwar technisch gut verstanden, aber bislang kaum kommerziell erprobt«, wendet der Klimawissenschaftler ein. »Belege dafür, dass CCS im großen Stil und kommerziell in Gaskraftwerken einsetzbar ist, stehen noch aus.«

Es kann also gut sein, dass Reiche nach den Kohle- zumindest auch noch die Gaskraftwerke aus dem CCS-Reich herausnehmen muss. Das wird sich nur schwer vermeiden lassen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185927.globale-erwaermung-mit-ccs-zur-klimaneutralitaet.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190526.koalitionsvertrag-technikattacke-auf-den-klimaschutz.html?sstr=CCS
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187786.elektrizitaetsversorgung-das-kraftwerksgesetz-von-habeck-stockende-energiewende.html?sstr=ccs