nd-aktuell.de / 26.06.2025 / Politik

Nato als US-Anhängsel

Auch im Militärbündnis der Starken gilt das Recht des Stärkeren. Das belegte das jüngste Gipfeltreffen

Jana Frielinghaus
Viel Beifall und einige Unterwerfungsgesten gab es auf dem Nato-Gipfel in Den Haag am Mittwoch für den starken Mann Donald Trump (hinter ihm Nato-Generalsekretär Mark Rutte)
Viel Beifall und einige Unterwerfungsgesten gab es auf dem Nato-Gipfel in Den Haag am Mittwoch für den starken Mann Donald Trump (hinter ihm Nato-Generalsekretär Mark Rutte)

Auf dem jüngsten Gipfeltreffen der Nato-Staaten[1] zeigten sich eindrücklich die Machtverhältnisse zwischen den USA und dem »Rest« des Bündnisses. Das Schreiben von Nato-Generalsekretär Mark Rutte[2] an US-Präsident Donald Trump zum Gipfelauftakt und der Weg, auf dem es bekannt wurde, illustrieren perfekt, dass es sich nicht um ein Bündnis unter Gleichen handelt. Und es offenbart zugleich einmal mehr, dass die Figuren an der Nato-Spitze mutmaßlich bewusst willige Vollstrecker des Willens der Trump-Regierung sind. Anderenfalls ließe sich an ihren Kompetenzen zweifeln.

In seiner SMS – die der Adressat der Welt umgehend zur Kenntnis gab – gratulierte Rutte dem US-Präsidenten am Dienstag zunächst geradezu überschwänglich zu seiner »entschiedenen Aktion im Iran[3], die wahrhaft außerordentlich und etwas war, was niemand sonst zu tun wagte«. Sie mache »uns alle sicherer«. Jenseits der Peinlichkeit dieser Ergebenheitsbekundung[4] wäre es dem Chef eines auf Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Bündnisses geboten gewesen, Widerspruch gegen das nach allen geltenden internationalen Regeln[5] illegale Bombardement der Atomanlagen Irans einzulegen, ebenso wie gegen die Unterstützung der vorangegangenen israelischen Angriffe.

Vielleicht wollte Rutte offenen Widerspruch vermeiden – in diesem Falle hätte er auch einfach schweigen können. Dass der Nato-Chef das nicht tat und stattdessen den Einsatz der US Air Force gar feierte, macht die Haltung des Bündnisses zu Völkerrecht und UN-Charta kenntlich. Ebenso wie entsprechende Äußerungen des deutschen Bundeskanzlers und anderer Vertreter von Nato-Staaten wie auch der EU zuvor.

Bereits vor ihrem Gipfel hatte die Nato ihre Mitglieder auf das Ziel einschwören können, künftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Streitkräfte sowie den Ausbau militärisch relevanter Infrastruktur auszugeben. In seinem Schreiben an Trump legte Rutte dem US-Präsidenten diesen »Erfolg« der Nato-Spitze schon mal zu Füßen: »Sie werden heute Abend zu einem weiteren großen Erfolg in Den Haag fliegen. Es war nicht leicht, aber wir haben sie alle dazu gebracht, für die fünf Prozent zu unterschreiben!« Das, so Rutte, sei das Verdienst von Trump, der die anderen Staaten dazu angetrieben habe.

»Da redeten nicht Demokraten miteinander, sondern Koch und Kellner. Und der Koch erwartet, dass die Europäer die Milliarden bei US-Konzernen ausgeben.«

Sören Pellmann 
Ko-Vorsitzender der Linksfraktion
im Bundestag

Allerdings bleibt offen, ob alle Länder wie gewünscht mitspielen werden. Drei Regierungschefs meldeten explizit Bedenken an, was angesichts der immensen mit der Aufrüstung verbundenen Kosten vor allem ein Signal an die eigene Bevölkerung gewesen sein dürfte und weniger eine klare Absage an Aufrüstung. Widerspruch kam aus Spanien, Belgien und der Slowakei. Allerdings teilte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico mit, ihm reiche die Fristverlängerung auf zehn Jahre aus. In dem verabschiedeten Text heißt es nämlich, dass das Fünf-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2035 erreicht werden soll, während in der ersten Version noch von 2030 die Rede war.

Die Bundesregierung will das Ziel erklärtermaßen schon bis 2029 erreichen. Explizit zumindest für die direkten Verteidigungsausgaben, das zeigen die diese Woche von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) vorgelegten Eckdaten zur Haushaltsplanung für die nächsten Jahre. Gemessen am aktuellen Volumen der Ausgaben des Bundes entsprächen die fünf Prozent des BIP nahezu der Hälfte des Gesamtetats, nämlich 225 Milliarden Euro jährlich.

In Sachen Demokratie war das Vorgehen auf dem Nato-Gipfel mehr als fragwürdig. Denn Staatshaushalte werden eigentlich von den Parlamenten beschlossen. Es bleibt mithin abzuwarten, ob die Pläne durchsetzbar sind.

Widerspruch gegen die Nato-Ziele kommt in Deutschland derzeit vor allem aus der Linken, vom BSW, aber auch von der AfD. Letztere hat allerdings nichts gegen Aufrüstung, sie kritisiert nur die hohe Verschuldung zu deren Finanzierung. Linksfraktionschef Sören Pellmann nannte den Gipfelbeschluss »unverantwortlich«. Grundlage sei »nicht etwa eine realistische Bedarfsanalyse, sondern das Drängen von Donald Trump«. Die SMS von Rutte zeige zudem: »Da redeten nicht zwei Demokraten miteinander, sondern Koch und Kellner. Und der Koch erwartet mit Sicherheit, dass die Europäer die Milliarden bei US-amerikanischen Rüstungskonzernen ausgeben. Deren Aktionäre werden jubeln, wir alle aber zahlen die Zeche[6]«.

Zur weiteren militärischen Unterstützung der Ukraine gab es auf dem Nato-Treffen – mit Rücksicht auf Donald Trump – nur vage Aussagen. Auf dem EU-Gipfel am Donnerstag dagegen hieß es, man stehe fest an der Seite des von Russland angegriffenen Landes. Gegebenenfalls wolle man auch die Lücke schließen, die sich für die Ukraine ergibt, weil die USA ihre Zusagen für die Lieferung von Waffen und andere militärische Unterstützung nicht verlängern.

Ein wichtiges Thema des zweitägigen EU-Treffens ist auch das 18. Sanktionspaket gegen Russland. Hier kündigte allerdings der slowakische Ministerpräsident ein Veto an. Denn Teil des Pakets ist der völlige Ausstieg aus Gaslieferverträgen mit Russland ab 1. Januar 2028. Anders als Ungarns Premier Viktor Orbán will Fico aber allen anderen EU-Vorhaben zustimmen. Das gelte auch für die weitere Unterstützung der Ukraine, sagte er.

Ein endgültiges Ende russischer Gaslieferungen würde der Slowakei mehr schaden als Russland, erklärte Fico: »Wir haben keinen direkten Zugang zu Flüssiggasterminals. Es kann zu Engpässen kommen, und die Preise schnellen in die Höhe.« Das EU-Programm RePowerEU zur Beschleunigung des Übergangs zu erneuerbaren Energiequellen sei »eine rein ideologische Idee«.

Fico befürchtet auch rechtliche Probleme. Die Slowakei hat einen bis 2034 gültigen Liefervertrag mit dem russischen Konzern Gazprom, den sie nach dem Willen der EU-Kommission unter Berufung auf »höhere Gewalt« kündigen soll. Diese Begründung würde aber vor einem internationalen Schiedsgericht nicht halten, erklärte Fico. Der Slowakei drohten dann Milliarden-Strafzahlungen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192156.nato-gipfel-ein-gipfel-fuer-trump.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192109.den-haag-vor-dem-nato-gipfel-kleine-absetzbewegungen.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192111.nahost-nach-us-angriff-im-iran-alle-erwarten-gegenschlag.html
  4. https://x.com/BotengaM/status/1937623727165894942
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191915.reaktion-auf-israels-angriff-auf-iran-fuer-das-recht-des-staerkeren.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179907.eu-ukraine-krieg-militaerische-umverteilung.html