nd-aktuell.de / 29.06.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Krankenhäuser noch nicht aus der Krise heraus

Der jährliche Krankenhaus-Rating-Report konstatiert rote Zahlen bei jeder zweiten Klinik

Ulrike Henning
Auf einer Intensivstation in Bremen
Auf einer Intensivstation in Bremen

Die Lage der Krankenhäuser in Deutschland hat sich noch nicht wirklich verändert, schon gar nicht verbessert, wie der in dieser Woche in Berlin vorgestellte Krankenhaus-Rating-Report[1] erneut feststellen muss: 2023 schlossen 43 Prozent der Häuser das Jahr mit einem Verlust ab, 2022 waren es hingegen nur 31 Prozent. Für 2024 erwarten die Autoren einen Anteil von 56 Prozent und in diesem Jahr könnten es nach unterschiedlichen Szenarien 23 bis 37 Prozent sein. Dabei sind solche Verluste nicht mit einer Insolvenz gleichzusetzen. Und selbst wenn es dazu kommt – was laut Report zurzeit 16 Prozent der Häuser betrifft, ist das noch lange nicht das Ende der Versorgung in diesen Einrichtungen.

Als Beispiel kann hier die private Schlosspark-Klinik in Berlin[2] dienen. Sie hat in dieser Woche Insolvenz angemeldet, aber der Betrieb soll weitergehen, und zwar mit allen bisherigen Angeboten. Der Unterschied zu der Zeit davor: Für die etwa 750 Mitarbeiter übernimmt die Agentur für Arbeit drei Monate lang die Gehaltszahlungen. Danach will das Krankenhaus die Löhne wieder selbst finanzieren. Inzwischen muss ein Sanierungskonzept erarbeitet werden. Das Haus war bei seiner Eröffnung 1970 die erste allgemeine Privatklinik Westberlins. Heutzutage verfügt es über 340 Betten und eine eigene Notaufnahme, mehr als 10 000 Patienten werden jährlich versorgt.

Insgesamt müssen die rund 1700 Krankenhäuser in Deutschland seit 2023 ohne Corona-Hilfen[3] auskommen. Andererseits plant die Bundesregierung, für dieses Jahr Soforthilfen in Höhe von vier Milliarden Euro in den Haushalt einzustellen. Hier sieht Report-Autor Boris Augurzky vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen aber die Gefahr, dass eine solche allgemeine Ausschüttung den Schwung aus dem beabsichtigten Reformprozess nimmt.

Die stationäre Versorgung leidet aber auch deshalb, und zwar schon länger, weil die Länder ihren gesetzlich vorgeschriebenen Part bei der Finanzierung der Investitionskosten nicht übernehmen. Die jährliche Lücke wird insgesamt bei mindestens drei Milliarden Euro angesetzt. Insofern wertete es das RWI schon als erfreulich, dass die Investitionen der Länder im Jahr 2023 um neun Prozent gestiegen waren. Für den Erhalt der Unternehmenssubstanz und deren Weiterentwicklung reiche das aber nicht aus.

Die Autoren des Reports 2025 interessieren sich aber nicht nur für die Jahresabschlüsse der Krankenhäuser. In den nächsten Jahren soll die lange diskutierte Reform den ganzen Sektor neu ordnen. Ob das im Zusammenspiel von staatlichen Zuschüssen und der unsicheren Lage bei den gesetzlichen Krankenkassen gelingen wird, scheint fraglich. Aus Patientenperspektive wird das Angebot der Kliniken eher wieder dünner. Zuletzt waren die Fallzahlen zwar nach einem starken Absinken seit Beginn der Pandemie wieder gestiegen. Das dürfte laut Augurzky auch im Interesse der Kliniken sein, weil sie damit in bessere Ausgangspositionen für die Reformprozesse kommen.

Der größte Unsicherheitsfaktor bleibt zunächst, welche Lösungen mittelfristig für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen[4] gefunden werden. Die Kommission, die für diese Problematik von der Koalition einberufen werden soll, kommt auch aus Sicht des Ökonomen Augurzky für diese Legislaturperiode zu spät. Wenn auch bei der Pflege- und der Rentenversicherung die Beitragssätze angesichts zunehmender und teils gewünschter neuer Ausgaben weiter steigen, müsste bei der Krankenversicherung eher eine Senkung angestrebt werden, vermutet Augurzky. Ohne strukturelle Reformen drohe bei den Sozialabgaben insgesamt ein Anstieg auf 50 Prozent bis 2023. Das würde erhebliche Auswirkungen auf Beschäftigte und Unternehmen in Deutschland haben.

Über welche Hebel könnte die Nachfrage nun im Gesundheitssektor reduziert werden? Eine bessere Patientensteuerung gehört dazu. Sie wird jedoch nicht allein in Bezug auf die Kliniken benötigt, sondern muss in der ambulanten Versorgung beginnen. Wenn auch hier die Ressourcen im Verhältnis zu den Patientenzahlen abnehmen, wird es kaum gelingen, dass die Hausarztpraxen allein die Primärversorgung sichern. Augurzky kann sich Leitstellen vorstellen, die – im Interesse einer zügigen Abfertigung – die Patienten genau zum richtigen Behandler bringen. Außerdem müssten die vorhandenen Arbeitskräfte geschickter eingesetzt, also etwa von bürokratischen Lasten befreit werden.

Der nunmehr 21. Krankenhaus-Rating-Report basiert auf Jahresabschlüssen von etwa 900 Krankenhäusern. Sie werden von Studienautoren des RWI und des privaten Gesundheitsforschungsinstituts Hcb jährlich analysiert.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183303.klinikrefom-krankenhaus-rating-report-die-rechnung-der-betriebswirte.html?sstr=Rating-Report
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1128888.berlin-fritz-von-weizsaecker-bei-vortrag-getoetet.html?sstr=Schlosspark-Klinik
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179168.bildband-call-it-corona-stilles-land.html?sstr=Corona-Hilfen
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191433.gesundheitssystem-finanzlage-der-krankenkassen-die-verschleppte-krise.html?sstr=Kassenfinanzen