nd-aktuell.de / 01.07.2025 / Berlin

Ohne Ausbildungsplatz in die Ferien

Zu wenige Lehrstellen für Bewerber in Berlin, die selbst in Brandenburg nicht alle etwas finden könnten

Andreas Fritsche
Erntehelferinnen stammen in Brandenburg oft wie diese Frauen aus Rumänien oder aber aus Polen.
Erntehelferinnen stammen in Brandenburg oft wie diese Frauen aus Rumänien oder aber aus Polen.

In guten und in schlechten Zeiten, und wie auch immer es um den Arbeitsmarkt bestellt sei, es gelte: »Menschen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben[1], sind statistisch deutlich weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als Ungelernte.« Mit diesem Argument wirbt Ramona Schröder bei jungen Berlinern und Brandenburgern dafür, sich einen Ausbildungsplatz zu suchen. Schröder ist Regionaldirektionschefin der Arbeitsagentur – und die jüngsten Zahlen der Arbeitslosenstatistik zeigen, dass die Zeiten für Lehrlinge und Ausgelernte gerade immer schlechter werden.

Von Oktober 2024 bis Juni 2025 haben sich bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern 19 616 Berliner und 11 098 Brandenburger gemeldet, um mit Unterstützung der Berufsberatung einen Ausbildungsplatz zu finden. In Berlin waren das 647 mehr Bewerber als ein Jahr zuvor, aber die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze war um 2046 auf 12 883 gesunken. Ende Juni waren noch 10 539 Bewerber unversorgt. Das waren 784 mehr als im Juni vergangenen Jahres. Gleichzeitig waren nur noch 6780 Lehrstellen frei. Das waren 1164 weniger als vor einem Jahr, und es waren vor allem insgesamt zu wenig, um allen Bewerbern einen Ausbildungsplatz zu verschaffen.

In Brandenburg hatten sich von Oktober bis Juni 79 Bewerber mehr gemeldet als vor einem Jahr, und auch hier sank die Zahl der Ausbildungsplätze – um 1170 auf 12 099. Im Juni waren dann noch 5698 Bewerber unversorgt. Das waren 260 mehr als vor einem Jahr. Sie konnten jetzt immerhin noch aus 6163 bislang unbesetzten Ausbildungsplätzen wählen. Dennoch waren das 549 offene Ausbildungsplätze weniger als vor einem Jahr.

465 Lehrstellen würden in Brandenburg rechnerisch frei bleiben, wenn alle Bewerber aus dem Bundesland versorgt sind. In der Vergangenheit gab es Appelle an Berliner Jugendliche, sich doch eine Lehrstelle in Brandenburg zu suchen[2]. Nun ist das Angebot dort aber auch nicht mehr so üppig, dass es auch nur ansatzweise für die Berliner reichen würde. Denn in der Hauptstadt klafft eine Lücke, weil dort am Ende für mehr als 3700 Bewerber überhaupt nichts angeboten wird.

Angesichts dieser Situation gilt es nicht für alle, wenn Regionaldirektionschefin Schröder meint: »Den richtigen Betrieb für das angestrebte Berufsfeld können die Jugendlichen beispielsweise auf den zahlreichen Ausbildungsmessen der Region finden. In Berlin heißt es am 7. Juli: Nicht ohne Ausbildung in die Ferien – über 90 Betriebe stellen sich dann persönlich beim potenziellen Nachwuchs vor.«

Schwierigkeiten haben allerdings nicht nur Schulabgänger, sondern auch ältere Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen. 218 496 Berliner und 85 236 Brandenburger sind aktuell arbeitslos gemeldet. Um sich nicht von saisonbedingten Schwankungen der Zahlen täuschen zu lassen, ist allein der Vergleich mit dem Vorjahresmonat[3] maßgeblich – und da ist die Arbeitslosenquote in Berlin um 0,7 Prozentpunkte auf 10,2 Prozent gestiegen, in Brandenburg um 0,4 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent.

Um ein Vielfaches geringer als die Zahl der Arbeitslosen ist die Zahl der offenen Stellen. In Berlin sind 21 012 Stellen frei, in Brandenburg 21 566. Verglichen mit der Situation vor einem Jahr sind in Berlin jetzt 754 Stellen weniger offen als damals, in Brandenburg sind es 3109 Stellen weniger.

In Berlin haben 42,5 Prozent der Arbeitslosen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, in Brandenburg sind es 22,8 Prozent. Während also 19 439 Brandenburger, die als Ausländer gelten, erwerbslos gemeldet sind, sagt Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) am Dienstag: »Nur dank der wachsenden Gruppe internationaler Fach- und Arbeitskräfte kann Brandenburg seine Wirtschaftsleistung erbringen.«

Tatsächlich sind insgesamt 106 122 Arbeitskräfte aus dem Ausland in Brandenburg beschäftigt, darunter 42 882 Polen, aber auch 6322 Rumänen, 3876 Türken, 2180 Bulgaren und 2012 Vietnamesen. Laut Wirtschaftsministerium spielen daneben die Inder eine wachsende Rolle. 3070 von ihnen sind inzwischen in Brandenburg berufstätig. Die Zahl der aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia geflüchteten Menschen, die in Brandenburg einen Job fanden, ist von 2019 bis 2024 von 5932 auf 10 583 gestiegen. Die Zahl aller Beschäftigten ohne deutschen Pass stieg seitdem um 47 631, die der deutschen Beschäftigten sank um 23 511.

»Attraktive Arbeitsbedingungen und berufliche Perspektiven sind elementar, um internationale Talente zu gewinnen«, sagt Wirtschaftsminister Keller. Um sie zu halten, sei es zwingend notwendig, dass die Integration gelinge. »Hier sind wir als Einzelpersonen ebenso wie als Gesellschaft gefragt.«

In Berlin entstehen zu wenig neue Jobs, beurteilt Alexander Schirp von den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg die Lage. »Eine Folge ist, dass die Beschäftigung gefährlich sinkt und die Langzeitarbeitslosigkeit seit vielen Monaten zunimmt«, erklärt Schirp. In Brandenburg zeige die Statistik, dass die Zahl derjenigen, die eine neue Stelle finden, kleiner werde. »Immerhin wächst die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung noch, das schafft von den östlichen Bundesländern nur noch Mecklenburg-Vorpommern.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182732.brandenburg-lehrlinge-fuer-hotelkuechen-gesucht.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174389.arbeit-ausbildung-mit-atmosphaere-in-brandenburg.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191624.wirtschaft-zahl-der-firmeninsolvenzen-und-arbeitslosen-steigt.html?