Das Mittelmeer ist eines der am stärksten überwachten Seegebiete der Welt – im Fokus steht dabei die Abwehr von Geflüchteten auf dem Weg nach Europa. Die EU-Grenzagentur Frontex kontrolliert die Route mit Drohnen[1], Flugzeugen und Satelliten, während die Kommission in Brüssel mit demselben Ziel die berüchtigte libysche und tunesische Küstenwache finanziert. Deshalb sterben jährlich Tausende bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren – allein 2025 hat die Internationale Organisation für Migration schon 752 Todesfälle erfasst[2]. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen: Viele Abfahrten wurden nie registriert, niemand erstattet Vermisstenmeldungen, wenn diese ungesehen kentern.
Dieser Migrationspolitik, die systematisch das Recht auf Bewegungsfreiheit einschränkt und das Mittelmeer zur tödlichen Falle macht, will ein europaweites Bündnis etwas entgegensetzen – durch physische Präsenz und Störung des Grenzregimes auf See. Unter dem Namen f.Lotta[3] ruft das Bündnis für September vor Lampedusa zu einer »massiven Seeblockade« auf. »Sie haben es geschafft, uns einzureden, dass dieses System das einzig mögliche, realistische und ernstzunehmende sei – und jede alternative Vision entweder utopisch oder gefährlich ist. Gefährlich für wen? – das sollten wir uns fragen«, heißt es im Aufruf.
Die Initiative versteht sich als dezentral, horizontal und offen. In ihrer Selbstbeschreibung betont sie, keine feste Organisation zu sein, sondern ein Zusammenschluss von Gruppen, Kollektiven und Einzelpersonen aus verschiedenen politischen Spektren und Regionen Europas. Es gibt demnach unterschiedliche Schwerpunkte in verschiedenen Städten – von der Öffentlichkeitsarbeit über praktische Logistik bis zur rechtlichen Vorbereitung.
Im Rahmen eines »Call to Action« werden Unterstützer*innen weltweit gebeten, mit Fotos, Videos oder Transparenten Solidarität zu zeigen. Erste Beiträge wurden bereits veröffentlicht, unter anderem von antirassistischen Gruppen, Seenotrettungs-Initiativen, queeren Kollektiven und Einzelpersonen.
Explizit geht es dabei nicht nur um Repression, sondern darum, migrantische Kämpfe zu unterstützen: »Wir dürfen nicht vergessen, dass uns im September 2015 die Menschen auf der Flucht gezeigt haben, wie man Grenzen herausfordert, wie man die Freiheit der Bewegung vom bloßen Konzept zur gelebten Praxis macht«. Ihr langer »Marsch der Hoffnung« habe die strukturell rassistischen europäischen Staaten gezwungen, ihre Binnengrenzen zu öffnen. Damit sei bewiesen worden, »dass kollektives, koordiniertes und direktes Handeln den Kreislauf der normalisierten Gewalt durchbrechen kann«.
Die geplante Seeblockade hat einen ideologischen Vorläufer in der Initiative »Boats 4 People«, die 2012 eine symbolische Bootsreise von Italien zum Europäischen Sozialforum nach Tunesien organisiert hatte[4]. Daran beteiligt waren Aktivist*innen, Angehörige von Vermissten und verschiedene Menschenrechtsorganisationen, die ebenfalls auf das Sterben im Mittelmeer aufmerksam machten.
»Boats 4 People« trug wesentlich dazu bei, grenzüberschreitende Solidaritätsnetzwerke zu etablieren. Aus diesem Kontext entwickelte sich zunächst das Projekte Watch the Med, eine Plattform zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen auf See, sowie ab 2014 das Alarm Phone, eine zivilgesellschaftliche Notrufnummer für Geflüchtete in Seenot[5].
Die Initiative f.Lotta wird auch von diesen Gruppen mitgetragen. Die geplante Aktion im September versteht sich damit als Teil eines anhaltenden Kampfes für globale Bewegungsfreiheit und gegen die Militarisierung der europäischen Außengrenzen.
Was der Punkt im Namen f.Lotta soll, lassen die Organisator*innen bewusst offen: Er könne für »feministisch«, »frontal«, »fuck borders« oder andere Assoziationen stehen – je nachdem, welcher politischen Haltung sich die Unterstützer*innen zuordnen. Auch wenn diese kein eigenes Boot hätten – alle könnten mitfahren, heißt es in dem Aufruf.