nd-aktuell.de / 02.07.2025 / Berlin

SEZ: Strom abgestellt, Bäume gefällt, Räumung angesetzt

Das legendäre Sport- und Erholungszentrum SEZ in Friedrichshain soll schneller geräumt werden als erwartet

Danuta Schmidt
Bis es 2002 geschlossen wurde, konnte man im SEZ schwimmen und vieles mehr.
Bis es 2002 geschlossen wurde, konnte man im SEZ schwimmen und vieles mehr.

Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) ist umzäunt wie ein Feind, als sei der Ort kontaminiert oder eine Baustelle mit Gefahrenpotential. Dabei war das SEZ jahrzehntelang ein Ort der Entspannung und des Sports für alle. Bis zum 9. Juli soll nach dem Willen der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) das SEZ beräumt werden. Alles muss raus. Was nicht ausgeräumt ist, wird weggeworfen. Das ist neu. Ursprünglich hieß es, bis zum Jahresende ist noch Zeit.

»Zufällig ist der 9. Juli der Tag der Besichtigung des Stadtentwicklungsausschusses. Es stehen über 100 Ordner über das SEZ, Dokumentationen, Bauakten über Aus- und Umbauten, dort. Diese wertvollen Akten fehlen dann bei einer möglichen Sanierung. Es ist eine heiße Debatte um ein hochumstrittenes stadtpolitisches Projekt«, sagt Carl Waßmuth vom Gemeingut e. V.

Waßmuth ist Bauingenieur und engagiert sich im gemeinnützigen Verein Gemeingut in BürgerInnenhand. »Uns geht es um öffentliche Güter wie Wasser, die Gesundheit, Mobilität und Wohnen«, sagt er. Der Verein ist bundesweit aktiv und setzt sich unter anderem für den Erhalt des SEZ in Friedrichshain ein. Zum letzten runden Tisch der Initiative im Mai kamen unter anderem der ehemalige Architekt Günter Reiß (83), der ehemalige Geschäftsführer Hartmut Hempel, Mitglieder des Abgeordnetenhauses, Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer, Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) sowie Bürger, die ihr SEZ zurückhaben wollen.

Das Freizeitzentrum soll dem Bau von 500 Wohnungen weichen[1]. Die WBM ist Eigentümer und wäre Bauherr. Friedrichshain sei mit 14 000 Einwohnern pro Quadratkilometer das am dichtesten besiedelte Viertel in Berlin, sagte Clara Herrmann. Flächen und Räume für den täglichen Ausgleich, Sport und Erholung in der Freizeit sind dringend nötig. Sie sprach über fehlende Turnhallen für den Schulsport und fehlende Bibliotheken. Auf dem Gelände des SEZ neben dem Bestandsgebäude soll eine neue Schule entstehen. Das SEZ könnte die passenden Hallen für den Schulsport bieten.

»Abzureißen, ohne vorher die Potenziale[2] des Bestands zu prüfen, geht doch nicht«, sagt Waßmuth. Es gebe so kurzfristig keine Perspektiven, die Akten zu lagern. Erste Bäume seien auch abgeholzt worden. Das kann man durch den Zaun sehen. Die Bürger des Viertels fühlen sich außen vor bei der Debatte zur Zukunft ihres Kiezes. »So ist das Verhältnis zwischen den Bürgern und der WMB: Wir sind Zaungäste. Wir müssten die Polizei anrufen, um prüfen zu lassen, ob die Bäume legal gefällt wurden.«, so Waßmuth.

Das SEZ ist einzigartig als multifunktionaler Architekturkomplex für Sport und Freizeit[3] und damit ein Geschenk mit Mängeln, die man beheben kann. Im Flyer von »SEZ für alle«[4], einer von Gemeingut in BürgerInnenhand und den Architects for Future gegründeten Initiative, heißt es: »Es gibt kaum Kapazitäten im Schulschwimmen, zu wenig Hallenzeiten für Vereine und Gesundheitssport. Bei der Versorgung mit Schwimmbädern, bezogen auf die Bevölkerungszahl, ist Berlin bundesweit Schlusslicht!« Dennoch braucht der Ort Geld für Sanierung und neben den bewährten Funktionen der Sport-Indoor-Flächen auch neue Ideen für Umnutzungen.

Die Initiative fordert für mehr Lebensqualität die Anerkennung des SEZ als Denkmal und die Wiedereröffnung. Öffentliche Mittel sollten für die Sanierung eingesetzt werden statt für einen sehr teuren, klimaschädlichen Rückbau. Bis zur Klärung, wie genau der Bestand genutzt wird, verlangen sie ein Fünf-Jahres-Moratorium und eine gute Zwischennutzung. In dieser Zeit wären Machbarkeitsstudie, Planungsprozess und Bürgerbeteiligung möglich.

Carl Waßmuth fürchtet, dass schon jetzt ein Zustand geschaffen wird, der das torpediert: »Als Erstes wurde nun der Strom abgestellt. Es wurde nicht einfach nur der Schalter umgelegt, sondern mit Baggern das Kabel herausgeholt und versiegelt«, sagt der Bauingenieur. Damit sei das SEZ komplett ohne Strom und die Pumpen außer Gefecht gesetzt. Die Elektrik habe im Herbst noch funktioniert, die Lampen leuchteten. »Es war alles in Betrieb. Jetzt steht der Keller unter Wasser. Durch das Wasser ist die Elektrik nicht mehr benutzbar.« Noch sei es nicht zu spät: Strom, Wasser, Pumpen müssten wieder angestellt werden.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189476.ddr-kulturgut-abriss-des-sez-in-berlin-friedrichshain-ist-beschlossen.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189178.drohender-abriss-ddr-erbe-in-berlin-letzte-chance-fuer-das-sez.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179865.ddr-kulturgut-meisterwerk-berliner-architektur-fachwelt-will-sez-erhalten.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184963.ddr-kulturgut-berliner-initiative-gegen-sez-abriss-mehr-als-nur-ostalgie.html